Zur systemtheoretischen Betrachtungsweise

 

Vielleicht hilft ein Vergleich. Ein Analogon zu einer „Psychologie ohne Hirnforschung“ könnte „Software ohne Computer“ sein. Obwohl Software ohne Hardware nicht funktioniert, wird sie prinzipiell ohne Bezug auf einen bestimmten Computer konstruiert. Die Beschaffenheit der Hardware hat keinerlei Erklärungswert beispielsweise für die Funktion einer Datenbank. Die Software wird auch nicht von der Hardware hervorgebracht. Die Verbindung zwischen beiden ist von anderer Art. Sie wird durch ein übergeordnetes System hergestellt, den Menschen, der beide nutzt. Dabei wird die Software durch die Ziele bestimmt, die der Mensch verfolgt, die Hardware dagegen von der funktionellen Ausstattung, über die er verfügt. Eine Datenbank beispielsweise kann letztlich auch mit Papier und Bleistift als „Hardware“ betrieben werden. Die Beziehung zwischen Mensch, Software und Hardware ist systemtheoretischer Natur.
Zur Methodik systemtheoretischer Analyse gehört, dass von der konkreten Beschaffenheit des Systems und seiner Komponenten abstrahiert wird. Analog dazu ist die biochemische Beschaffenheit der neurophysiologischen Träger psychischer Phänomene gleichgültig für die psychischen Phänomene, die in ihnen geschehen. Deshalb kann die Neurophysiologie auch keinen Beitrag dazu leisten, psychische Prozesse zu verstehen. Das ist kein Mangel, der zu beheben wäre, sondern ihre native Aufgabe. Sie erklärt - um im Bilde zu bleiben - die Funktion von Papier und Bleistift, nicht aber die Struktur der Daten einer Datenbank, die mit diesen Werkzeugen betrieben wird.
 

 
     

© Dr. G. Litsche 2004
Letzte Bearbeitung: 18.01.2008