Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

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Das Aufsteigen
Theorie und Empirie
Ausgangsabstraktion
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Über die Methode des Aufsteigens
vom Abstrakten zum Konkreten

Thesen

I. Allgemeines

1.Das Aufsteigen ... wird heute nicht selten als universelle Methode (dann meist als philosophische Methode bezeichnet) angesehen, die unabhängig vorn Gegenstand und Forschungs- und Erkenntnisziel angewendet werden könnte. Psychologen (Dawydow. Lompscher) sehen im Aufsteigen ... ein psychologisches Gesetz, ein Gesetz des Denkens, während Pädagogen das Aufsteigen als didaktisch- methodisches Verfahren betrachten. Gemeinsam ist allen diesen Auffassungen der fehlende Bezug zum Gegenstand und Ziel des Erkennens.

2. Demgegenüber wird hier der Standpunkt vertreten, dass das Aufsteigen ... eine spezifische Erkenntnismethode ist. Ihr Gültigkeitsbereich ist das Erkennen eines sich entwickelnden Gegenstandes (einer sich entwickelnden Gesamtheit von Dingen) für den Fall, dass diese sich entwickelnde Gesamtheit in ihrem Gewordensein erkannt werden soll. Ein idealer Fall. für eine solche Erkenntnis ist das natürliche System der rezenten Organismen. Der zu erkennende Gegenstand ist die Gesamtheit de rezenten Organismen, die mit dem Ziel erkannt wird, ihr historisches Gewordensein im Abbild widerzuspiegeln; nicht den Vorgang des Werdens, nicht die Evolution, sondern die rezenten, gewordenen Organismen als Resultat der Evolution. Ein weiteres Beispiel für diesen Erkenntnisweg ist eine Darstellung der Entstehung des Lebens, die ich hier darstelle.

3. Dieser Umstand hebt die Beliebigkeit der Begriffsbildung, deren Orientierung an menschlichen Interessen und Bedürfnissen auf und stellt das Problem, wie die Begriffe die natürlich gewordenen Gruppen der Lebewesen, die Sippen und deren natürliche Gliederung widerspiegeln. Erst in diesem Zusammenhang erhält das Problem der Adäquatheit von Begriffen ein objektives Entscheidungskriterium: die wirkliche Evolution. Erst für diesen Fall. erhält die Feststellung von F. Engels einen Sinn, dass die Abfolge der Begriffe den Gang der Geschichte widerspiegeln muss.

4. Die Ausdrücke “Abstraktes und „Konkretessind also in der Methode des Aufsteigens nicht auf die gleiche historisch-. genetische Ebene bezogen: Das Abstrakte widerspiegelt das historisch-genetisch Ursprüngliche, Embryonale, das konkrete das historisch- genetisch Abgeleitete, Entwickelte. Das Abstrahieren als Erkenntnisverfahren richtet sich darauf, das dem jeweils gegebenen konkreten Vorausgehende, seinen historisch-genetischen Ursprung aufzudecken. Das “Konkretisieren“ ist darauf gerichtet, die Entwicklung des Gegenstandes von seiner ursprünglichen, embryonalen zu seiner entwickelten, voll, ausgebildeten Form zu erfassen.

5. Das Abstrahieren als Verfahren, durch Vergleich die allgemeinen, wesentlichen Merkmale herauszufinden, indem man von den Merkmalen absieht (abstrahiert“), die nicht allen Elementen der untersuchten Gesamtheit zukommen, und das Konkretisieren als Verfahren. die abstrahierten (weggelassenen) Merkmale wieder hinzuzufügen, sind keine Elemente der Methode das Aufsteigens ..da sie die historisch gewordene Realität ahistorisch, d.h. nicht in ihrem historischen Gewordensein widerspiegeln.

6. Damit soll diesem Erkenntnisverfahren weder seine Existenzberechtigung abgesprochen noch seine Bedeutung bestritten werden. Es müssen nur die Grenzen seines Gültigkeitsbereiches und die daraus folgenden möglichen Ergebnisse exakt bestimmt werden; Es ermöglicht eine logisch exakte Beschreibung einer gegebenen Gesamtheit in einem widerspruchsfreien Begriffssystem (und das ist nicht wenig). Es ermöglicht jedoch nicht, die Zusammenhänge dieser Gesamtheit theoretisch zu erklären.

7. Das “Abstrahieren durch Vergleichen“ ist außerdem eine notwendige Vorstufe des Aufsteigens.... Der wirkliche Verlauf der Entwicklung bringt es oft mit sich, dass entwickelte und ursprüngliche Formen der jeweiligen Gesamtheit gleichzeitig nebeneinander existieren (Pantoffeltierchen - Affe  Mensch, Urgesellschaft – Kapitalismus - Sozialismus). Durch den Vergleich der entwickelten mit den ursprünglichen Formen bleiben notwendigerweise als Gemeinsames, durch “vergleichendes Abstrahieren“ herauszuhebende Merkmale nur solche übrig, die bereits bei den ursprünglichen Formen gegeben sind. .So kann durch vergleichendes Abstrahieren das Abstrakte als Ursprüngliches herausgefunden werden.

8. Die Methode des Aufsteigens ... kann nun auf zweierlei Weise angewandt werden: empirisch oder theoretisch (in den Worten von Engels “historisch oder logisch“). In der empirischen Forschung folgt die Entwicklung der Gedanken der wirklichen Entwicklung, folgt jedem Zick-Zack, jedem “Sprung“. In der theoretischen Forschung folgt die Gedankenentwicklung der wirklichen Entwicklung auf andere Weise: “entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten“. Die Theorie ist ein “korrigiertes Spiegelbild“ der wirklichen Entwicklung und die Kriterien, nach denen das Bild des wirklichen Verlaufs korrigiert wird, bestehen in den “Gesetzen die der wirkliche geschichtliche Verlauf selbst an die Hand gibt.“ (Bd. 13, .3. 475)

9. Die Methode des Aufsteigens ist erst dann tatsächlich angewendet worden, wenn sie “mit der Notwendigkeit der gegenwärtigen Ordnung zugleich die Notwendigkeit einer anderen Ordnung nachweist, worin die erste unvermeidlich übergehen muss“ [i]

10. Schließlich wird die Methode des Aufsteigens in den verschiedenen Etappen des Forschungsprozesses in verschiedener Weise angewandt. sowohl beim empirischen wie beim theoretischen Vorgehen. Bei der Aneignung des Stoffes im Detail[ii] ist der wirklichen Entwicklung in allen ihren Wegen nachzugehen und deren inneres Band aufzuspüren, erst dann kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden.

11. Die Einheit aller dieser Anwendungsweisen der Methode des Aufsteigens ... ist dann angebracht, wenn es darum geht, eine bestimmte Entwicklungsstufe der zu untersuchenden Gesamtheit in deren historischem Gewordensein wissenschaftlich zu analysieren und darzustellen. Das klassische Beispiel dafür ist das Kapital. In den “Grundrissen“ wird der Stoff in einem bestimmten Maße in seiner Entwicklung im Detail angeeignet. in “Zur Kritik der politischen Ökonomie“ erfolgt die Darstellung in “logischer“ (theoretischer) „Behandlungsweise“. Im Kapital schließlich wird der Gegenstand logisch-historisch, d.h. theoretisch begründet und geordnet auf der Basis umfassenden empirischen Materials dargestellt.

Bei der Anwendung der Methode des Aufsteigens ist also stets zu explizieren,

·       welche Gesamtheit von Gegenständen

·       auf welcher Entwicklungsstufe

·       in welcher Weise

·       in welcher Forschungsetappe

·       mit welchem Forschungsziel

wissenschaftlich angeeignet werden soll.

12. Bei der Lösung der Aufgaben, die vor den Wissenschaften vom menschlichen Individuum stehen, kommt es gegenwärtig auf das Folgende an:

12.1 Die zu untersuchende Gesamtheit muss die Gesamtheit aller gegenwärtigen menschlichen Individuen sein, die Menschheit.

12.2. Die Forschungsetappe, die als nächste in Angriff zu nehmen ist, ist die Ausarbeitung der Grundzüge einer “Theorie des menschlichen Individuums, die es ermöglicht, dass jeder Typ menschlicher Individualität “auf dem Entwicklungspunkt seiner vollen Reife, seiner Klassizität betrachtet werden kann.[iii]

12.3. Das kann nur mittels der “logischen Behandlungsweise“, d.h. der theoretischen Form des Aufsteigens ... erfolgen.

12.4. Empirischer Ausgangspunkt einer Theorie des menschlichen Individuums kann stets nur die jeweils am höchsten entwickelte Form sein, d.h. gegenwärtig der Mensch als Repräsentant der sozialistischen Gesellschaft verbunden mit dem Nachweis der Notwendigkeit des Übergangs in eine andere, höhere Entwicklungsetappe..

II. Die Ausgangsabstraktion  

1. Bei der Ausarbeitung der Grundzüge der Theorie einer entwickelten Gesamtheit muss damit begonnen werden, die ursprüngliche, embryonale Form des Gegenstandes zu bestimmen und diese in der “Ausgangsabstraktion“ nachzubilden. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Die ursprüngliche Ausgangsform des Gegenstandes besteht ebenso wie alle Zwischenstufen der Entwicklung neben den entwickelten Endformen mehr oder weniger unverändert weiter oder sie ist wie einige oder alle Zwischenformen untergegangen.

Abbildung 1

Abbildung 2

2. Nur im ersten Falle führt die vergleichende Abstraktion zum Aufdecken der Ausgangsform, indem durch das Auffinden des Allgemeinen alle entwickelten Bestimmungen als diese erkannt und ausgesondert (von ihnen kann abstrahiert) werden können In diesem Falle erbringt die exakte empirische Analyse aller existierenden Formen auch unmittelbar die historisch-genetische Ordnung der Gesamtheit (Abbildung 1). Häufig jedoch existieren Ausgangs- und einige Zwischenformen nicht mehr ihrer ursprünglichen Form, sondern haben sich oft unter dem Einfluss der anderen Elemente der Gesamtheit selbst verändert. liegen also selbst in entwickelter Form vor. (Abbildung 2) Hier sind historisch-empirische Forschungen erforderlich, um die gewordene Ordnung adäquat abbilden zu können. Das Gleiche gilt verstärkt für den Fall, dass Ausgangs- und einige Zwischenformen untergegangen sind, also rezent überhaupt nicht mehr empirischer Analyse zugänglich (Abbildung 3) Hier kann nur die ergänzende historisch-empirische Forschung die gewordene Ordnung aufdecken. Im Beispiel Abbildung 3 ist nur durch historische Forschung die Entscheidung darüber möglich, ob a oder b das ursprüngliche Merkmal ist).

Abbildung 3

4. All diesen Fällen ist gemeinsam, dass der zu untersuchende Gesamtheit vollständig der empirischen Forschung zugängig ist. Nicht selten sind Ausgangsform und manche Zwischenformen spurlos (jedenfalls für die jeweilige Forschungsetappe) untergegangen.

Abbildung 4

Die Abstraktionskraft muss empirische Untersuchungen ersetzen. Spurlos untergegangene Ausgangs- und Zwischenformen müssen theoretisch rekonstruiert werden (Abbildung 4) Diese theoretischen Rekonstruktionen erhalten so einen hypothetischen Charakter mit großer heuristischer Kraft. Sie dienen nicht nur der weiteren theoretischen Arbeit beim Aufbau des gedanklichen Systems (das so einen hypothetischen- deduktiven Charakter erhält), sondern orientieren die empirische Forschung auf die Suche nach den “missing- links“, die hypothetisch rekonstruiert wurden. Dadurch unterscheiden sie sich von “theoretischen Konstrukten“, denen in der Realität nichts entspricht.

5. Die theoretische Rekonstruktion ist das entscheidende Verfahren für die Erarbeitung der Ausgangsabstraktion für den Aufbau einer Theorie des menschlichen Individuums, denn die ersten Etappen der Menschwerdung, in denen die ursprünglichen Formen menschlicher Individuen lebten, sind weitgehend spurlos untergegangen.

III. Das Gedankensystem, Resultat des Aufsteigens...

1, Die Methode des Aufsteigens ... strebt als Resultat des Denkens ein solches ideelles Bild der Realität an, das dieses als Gewordenes, d.h. in ihrem Werden, Gewordensein und Vergehen widerspiegelt. Die von den Begriffen eines solchen Gedankensystems (Begriffssystems) widergespiegelte Ordnung in der Vielfalt der Erscheinungen (Elemente) ist keine Ordnung, deren Prinzipien (Bestimmungen) beliebig je nach den gegebenen Interessen und Bedürfnissen änderbar sind, sondern es sind die objektiven Prinzipien der Entwicklung des Gegenstandes selbst. Sie können nicht vor der Untersuchung des Gegenstandes formuliert werden, sondern sind deren Resultat ebenso wie die Begriffe. in denen die gewordene Ordnung widergespiegelt wird.

2. Begriffe dieser Art sind dialektische Begriffe für deren Handhabung die formallogischen Kriterien der Begriffsbildung nicht ausreichen. In unserem Sprachgebrauch - und folglich auch in unseren Denkgewohnheiten - wird die Kategorie „Begriff“ meist in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Kategorie „Definition“ gestellt, während die Kategorie „Abbild einer Menge von Objekten“ meist nur als weitere, zusätzliche Bestimmung dieser Kategorie betrachtet wird. Bei der Abbildung einer sich entwickelnden Menge von Objekten mittels einer Definition wird gerade von der Entwicklung abstrahiert und das sich Entwickelnde als ruhig, statisch betrachtet (s. Abbildung 9!). Die formallogische Definition entfernt die Entwicklung aus dem Begriff (aus dem Bild der Menge).

3. Marx und Engels machen mehrfach auf diesen Umstand aufmerksam, vgl. z.B. Grundrisse ... S.6, Bd. 13, S. 20-22, S. 70! Besonders charakteristisch ist folgende Stelle: Unsere Definition des Lebens ist natürlich sehr ungenügend, indem sie, weit entfernt alle Lebenserscheinungen einzuschließen, sich vielmehr auf die allerallgemeinsten und einfachsten beschränken muss. Alle Definitionen sind wissenschaftlich von geringem Wert. Um wirklich erschöpfend zu wissen, was das Leben ist, müssten wir alle seine Erscheinungsformen durchgehen, von der niedrigsten bis zur höchsten. Für den Handgebrauch sind jedoch solche Definitionen sehr bequem und stellenweise nicht gut zu entbehren; sie können auch nicht schaden, solange man nur ihre unvermeidlichen Mängel nicht vergisst.“[iv]

4. Generell gilt: Wenn ich weiß, was eine Sache im allgemeinen ist (d.h. sie definierte), habe ich noch keine ihrer konkret u. geschichtlich gewordenen Entwicklungsstufen begriffen. Eine jede muss für sich untersucht werden. Erst die Gesamtheit aller solcher Untersuchungen gibt einen dialektischen begriff, d.h. ein solches Abbild der Menge der Objekte, das diese in ihrer Entwicklung widerspiegelt Jede Definition spiegelt nur eine der Entwicklungsetappen des Gegenstandes wider und diese ihrer reifen, klassischen Form als „Ruhendes“. Natürlich gilt auch: Keine konkrete Etappe einer Entwicklung kann ohne exakte Definition widergespiegelt werden, das kann auch nicht schaden...

5. Ein weiteres Problem ist das der Subordination bzw. der Koordination der Begriffe. Wenn sich aus einer Erscheinung A (a) die Erscheinung B (a, b) entwickelt, dann existieren 2 Mengen von Objekten  (A und B), wobei B eine Teilmenge von A ist (B ist subordiniert A).

Zugleich aber existieren beide Mengen nebeneinander: A und B sind koordiniert. Das Subordinationsverhältnis spiegelt den Entstehungsprozess wider, das Neue entsteht im Schoß des Alten.


Abbildung 5

Geht das Alte im weiteren Verlaufe der Entwicklung nicht unter, sondern besteht mehr oder weniger verändert neben dem Alten fort,


 

Abbildung 6

dann hat sich die Menge der abzubildenden Objekte in zwei Teilmengen gespalten (gegliedert), aus der ungegliederten Menge (A) ist eine in A‘ (A i.e.S.)und B gegliederte Menge entstanden, die als diese durch einen “Gattungsbegriff“ abgebildet wird:


Abbildung 7

Dieser Umstand erklärt, warum das Fehlen eines Merkmals zur Definition benutzt werden kann: A‘ wird definiert als A ohne (b). Dieser Umstand führt manchmal zu semantischen Widersprüchen in natürlichen Sprachen:


 
Abbildung 8

In der deutschen Sprache werden „Tiere und Menschen“ und Tiere im engen Sinne (unter Ausschluss des Menschen) mit dem gleichen Wort bezeichnet, im Tschechischen gibt es für Tiere (“Tiere, aber nicht Menschen) ein besonderes Wort.

IV. Die Entwicklung des Gedankensystems

1. Nach gewonnener Ausgangsabstraktion als Abbild der ursprünglichen Form des entwickelten Gegenstandes kommt es für den weiteren Gang der Gedanken darauf an, dass dieser „das Spiegelbild... des historischen Verlaufs“ wird, “ein korrigiertes Spiegelbild“, ein Spiegelbild “in abstrakter und theoretisch - konsequenter Form“. Dabei entsteht das Problem der Subordination und Koordination der Begriffe. Ein gutes empirisches Beispiel für ein solches Begriffssystem ist das System der Wirbeltiere. Vereinfacht dargestellt, gliedert sich der Stamm der Wirbeltiere in die Klassen Fische, Lurche, Reptilien, Vögel und Säuger.


Abbildung 9 : Klassen der Wirbeltiere

Das in Abbildung 9 dargestellte formallogische Begriffssystem stellt die Beziehungen der rezenten Wirbeltiere adäquat dar.


Abbildung 10 : Stammbaum der Wirbeltiere (vereinfacht)

2. Die Evolution der Klassen der Wirbeltiere wird in Abbildung 10 wiedergegeben. Die fossilen Urformen der einzelnen Wirbeltierklassen sind nicht dargestellt. Würden sie einbezogen, ergäbe das ein Bild, das der Abbildung 2 entspräche.


Abbildung 11 : System der Wirbeltiere, das auch deren Evolution abbildet

3. Ein Begriffssystem, wie es in Abbildung 11 dargestellt wird, ist so “ein korrigiertes Spiegelbild..., korrigiert nach Gesetzen, die der wirkliches geschichtliche Verlauf. selbst an die Hand gibt.“ Die wirkliche Entwicklung der Wirbeltiere, angefangen von ihrer fischartigen Ausgangsform besteht in einer vielfachen Differenzierung dieser Ausgangsform (“adaptive Radiation“), wobei eine dieser Differenzierungsformen (“Urlurch“) zum Ausgangspunkt eines neuen, vielfachen Differenzierungsprozesses wird usw. (Abb. 7) Der mit roter Farbe hervorgehobene Teil des Spiegelbilds ist das “korrigierte Spiegelbild“, “entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeit“[v].

Abbildung 12 : Entwicklung der Wirbeltiere (Ausschnitt)

4. In der “Korrektur des Spiegelbildes‘ bei der theoretischen Weise der Anwendung der Methode des Aufsteigens....liegt das eigentliche methodische Problem. Die dabei anzuwendenden Kriterien sind nicht formaler, sondern inhaltlicher Natur, denn sie ergeben sich aus den “Gesetzen, die der wirkliche Verlauf der Geschichte selbst an die Hand gibt“. d.h. sie sind selbst Resultat (nicht Voraussetzung a priori) der Erforschung des historischen Prozesses. In der Einleitung zu den Grundrissen wird dieser Gedenke noch präziser ausgeführt: “In der Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen. Die Andeutungen auf Höheres in den untergeordneten Tierarten können... nur verstanden werden, wenn das Höhere selbst schon bekannt ist.“[vi] Die Fischblase kann als Vorform der Lunge erst erkannt werden, wenn die Besiedelung des Landes durch die Wirbeltiere tatsächlich durch Lungenatmer erfolgt ist, und nicht etwa durch Hautatmer oder Nutzer anderer möglicher Atmungsformen.

5. Dieses methodische Prinzip ist vor allem dann bedeutsam, wenn die reale sozialistische Gesellschaft Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse ist. Aus These 1/9 und dem eben genannten Prinzip folgt, dass der Sozialismus theoretisch erst verstanden wird, wenn er von Blickpunkten der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation aus betrachtet wird; die aber ist empirischer Analyse nicht zugängig. Sie müsste durch wissenschaftliche Voraussage theoretisch konzipiert werden, um dann die Kriterien zur Bewertung des existierenden Sozialismus liefern zu können. Das aber stellt die Frage, ob die Methode des Aufsteigens... auch zur Gewinnung von Vorraussagen über künftige Entwicklungsvorgänge angewendet werden kann. Das wird in einem gesonderten Artikel dargestellt.  

 

 










 

 

 

 

 

[i] Vgl. Marx, K, : Das Kapital. A.a.O. S. 16!
[ii] Vgl. Ebenda, S. 17!
[iii] Vgl. MEW Band 13, S. 475!
[iv]  MEW Band 20, S. 77 (Anti-Dühring)
[v] Vgl. MEW Band 13, S. 475!
[vi] Vgl, Marx, K. : Grundrisse... a.a.O. S.26!

 

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© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 01.06.2011