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      Naturphilosophie und 
      Theorie der Menschwerdung
       Der 
      Gegenstand, zu dem einige Gedanken geäußert werden, fällt insofern etwas 
      aus dem Rahmen des hier Diskutierten, als es nicht um vergangene Prozesse 
      von Wissenschaftsentwicklung geht, deren vorläufigen Ausgang wir kennen, 
      sondern um Prozesse, die gegenwärtig stattfinden, und deren Ausgang wir 
      nicht kennen. 
      Das hat eine spezielle Verwendung des Ausdrucks “naturphilosophisch“ zur 
      Folge. Er wird mehr im Sinne der von K.-F. Wessel formulierten Weise 
      verwendet: als die jedem Naturwissenschaftler zu unterstellenden 
      philosophischen Auffassungen über die Natur, die bewusst oder unbewusst 
      die Art und Weise bestimmen, mit welcher das jeweils gegebene empirische 
      Material ver- und bearbeitet wird, und welche auch die Grenzen bestimmen, 
      in denen empirische Daten überhaupt gewonnen werden können. 
      Schon Darwin meinte, dass der Mangel an empirisch gegebenen fossilen 
      Zwischengliedern in der Evolution des Menschen für diejenigen Menschen 
      kein gewichtiger Einwand gegen die Theorie der Abstammung des Menschen aus 
      dem Tierreich sei, “die aus allgemeinen Gründen .Anhänger des 
      Entwicklungsprinzips sind“ (1, S. 164). 
      Groß sind die Fortschritte, die seit Darwins Zeiten bei der Aufdeckung der 
      Menschwerdung des Affen gemacht wurden, besonders was das paläontologische 
      und archäologische Material betrifft. Weniger trifft das auf die 
      Ausarbeitung der “allgemeinen Gründe“ zu, die diesen Prozess theoretisch 
      erklären. 
      Auch heute, angesichts einer fast unübersehbaren Fülle paläontologischer 
      und archäologischer Zeugnisse solcher Zwischenglieder, spielen allgemeine 
      naturphilosophische Gründe bei der Bewertung der Funde wie bei der 
      Erklärung des Prozesses der Menschwerdung eine entscheidende Rolle. Als 
      meist unformulierte und unreflektierte Denkmuster, Paradigmen ( ), spielen sie 
      die Rolle von “theoretischen Brillen“, durch welche die materiellen 
      Zeugnisse des Prozesses der Menschwerdung betrachtet werden. 
      Für die Problemstellung dieses Kolloquiums ist die naturphilosophische 
      Seite des Verständnisses der Menschwerdung von besonderem Interesse. Die 
      Rolle, die das Menschenbild des Forschers in diesem Zusammenhang spielt, 
      ist hinlänglich bekannt, die Rolle naturphilosophischer Auffassungen für 
      die Analyse dieses Prozesses ist weit weniger untersucht. Auch in neueren 
      Arbeiten finden sich Äußerungen dazu nur “nebenbei“. Löther kommt bei der 
      Analyse verschiedener bürgerlicher Konzeptionen vom Menschen zu dem 
      Schluss: “Zweifellos ist naturwissenschaftliches Bildungsdefizit im Wissen 
      und Denken ein Umstand, der soziologisches Herangehen begünstigt.“ 
      (5. S. 47). Holzkamp verweist auf eben diesen Umstand und meint, dass ein 
      Gesellschaftswissenschaftler, “der die Bezeichnung ‘biologisch‘ lediglich 
      als Gegenbegriff zu ‘gesellschaftlich‘ ... benutzt, mithin glaubt, sich um 
      biologische Tatbestände weder kümmern noch etwas darüber wissen zu müssen 
      (und so letztlich auch von ‘Gesellschaft ‘ nicht allzuviel versteht)“ 
      (3, S. 187f./Fußnote/). 
      Ein philosophischer Zentralpunkt der diesen Gegenstand betreffenden 
      Auseinandersetzungen ist dabei die Frage nach dem “Wesen des Menschen“, 
      d.h. die Frage, von welchem Punkt in der Abfolge der Stadien der 
      Menschwerdung schon vom gesellschaftlichen Menschen und wie lange noch vom 
      natürlichen Affen gesprochen werden kann. Als erstes Kriterium für die 
      Beantwortung dieser Frage wird im allgemeinen der Entwicklungsstand von 
      Werkzeuggebrauch und Werkzeugherstellung betrachtet. Der entscheidende 
      Unterschied zwischen Mensch und. Tier wird darin gesehen, dass nur der 
      Mensch Werkzeuge - Geräte - für einen vorbedachten Zweck herstellt. Die 
      Verwendung dieses Kriteriums ist vor allem Resultat unmittelbar 
      empirischer Forschung. Bei dieser Art der Verwendung des 
      Werkzeug-Kriteriums wird der Begriff des Werkzeugs aber nur in einer 
      seiner Bedeutungen verwendet, nämlich als Ding, welches das Individuum 
      zwischen sich und den Gegenstand schiebt, als Ding, mit dem der Mensch auf 
      andere Dinge einwirkt. Diese technologische Bestimmung des Werkzeuge macht 
      aber eigentlich noch nicht sein spezifisch menschliches, d.h. 
      gesellschaftliches Wesen aus. 
      Die Gesellschaftlichkeit kommt erst dann als wesentliches Merkmal des 
      Werkzeugbegriffs zum Tragen, wenn das Werkzeug als Träger 
      vergegenständlichter menschlicher Wesenskräfte bestimmt wird, die von 
      anderen Mitgliedern der Gemeinschaft angeeignet werden. Uledow verwendet 
      für “Aneignung“ den anschaulichen Ausdruck “Entgegenständlichung“. 
      Es ist auffällig, dass die ihrem Ursprung nach philosophischen Kategorien 
      “Vergegenständlichung - Aneignung“ für marxistische 
      Gesellschaftswissenschaftler als spezifisch menschliches Merkmal der 
      Kategorie “Werkzeug“ evident sind. Sie werden weder problematisiert noch 
      wird die Frage nach der genetischen Entstehung dieser spezifisch 
      menschlichen Qualität des Werkzeugs gestellt. Aber auch in den Arbeiten, 
      welche die Herausbildung menschlichen Werkzeugsgebrauchs zum Gegenstand 
      haben, wird dieses Merkmal nicht problematisiert. Unabhängig davon, wie 
      viele Entwicklungsstufen des Werkzeuge unterschieden werden (z.B. Isaac 
      (1976) vier, Tembrock (1979) u.a. sechs, Herrmann (1981) elf), als 
      “tool-user“ wie als “tool-maker“ wird stets das einzelne Individuum 
      angesehen, welches das Werkzeug in seiner Tätigkeit gebraucht oder für 
      seine Tätigkeit mit Vorbedacht herstellt. Die Gesellschaft, Gemeinschaft 
      spielt in diesem Zusammenhang keine oder nur eine untergeordnete Rolle. So 
      nennt zwar Herrmann die Tradierung von Arbeitstechniken als Stufe der 
      Entwicklung der Werkzeugherstellung, tradiert wird auch in seiner 
      Darstellung lediglich diese individuelle Form von Werkzeuggebrauch oder 
      Werkzeugherstellung . (vgl. 2,S  35). 
      Noch einen Schritt weiter geht Klaus Holzkamp mit folgender Feststellung: 
      “Ursprünglich (ist) etwa der Stock nur angesichts der Frucht als Mittel 
      aktualisiert, primitiv auf die Verwendung zugerichtet und nach Gebrauch 
      weggeworfen worden; die Wende zur Menschheitsgeschichte (liegt) in der 
      Umkehrung dieses Verhältnisses, z.B. der verselbständigten Auffassung des 
      Stockes als eines Mittels zu verallgemeinerten Zweck der 
      Früchtebeschaffung“ (4, S. 112). 
      Seine spezifisch gesellschaftliche Qualität erhält das Werkzeug folglich 
      im Verlaufe der Menschwerdung, indem es zum gegenständlichen Träger 
      menschlicher Wesenskräfte (Erfahrungen, Kenntnisse usw.) wird.. Das 
      unterscheidet es vom “natürlichen Werkzeug“ des Tieres. Das Merkmal 
      “Träger vergegenständlichter Wesenskräfte“ ist kein natürliches Merkmal 
      der Gegenstände, sondern ein gesellschaftliches, das sie nur in der 
      Gesellschaft er- und behalten. Diese Überlegungen sollten deutlich machen, 
      dass der Prozess der Menschwerdung nicht als hinreichend erklärt 
      betrachtet werden kann, solange nicht die Frage beantwortet ist, wie das 
      Verhalten der Individuen in einer Tiergemeinschaft einen Zustand erreicht, 
      indem die Produkte der Tätigkeit des einen Mitgliedes vergegenständlichte 
      Wesenskräfte für ein anderes sind. Aus dieser Problemlage folgt 
      unmittelbar die Frage nach den tierischen Vorformen von 
      Vergegenständlichung und Aneignung. Die gleichen allgemeinen 
      naturphilosophischen Gründe, die bereits Darwin im Sinn hatte und die 
      durch die moderne Evolutionsforschung vielfach erhärtet und bereichert 
      wurden, unterstellen die Annahme, dass es auch tierische Vorformen von 
      Vergegenständlichung und Aneignung geben muss. 
      In den Verhaltenswissenschaften ( ) gibt es jedoch diese Kategorien .nicht, 
      und so wird auch kein detailliertes empirisches Material dazu mitgeteilt. 
      Dieser Umstand impliziert aber unmittelbar die Frage, warum solche 
      Verhaltensweisen bisher nicht beobachtet oder zumindest nicht als solche 
      erkennt und mitgeteilt wurden. Eine Ursache dafür liegt sicher darin, dass 
      der konzeptionelle Rahmen der Ethologie, das System ihrer Paradigmen das 
      Erfassen solcher Verhaltensweisen gar nicht ermöglicht. Sie liegen 
      außerhalb der Grenzen der Methodik der Verhaltenswissenschaften und fallen 
      so aus dem in ihrem Rahmen Abbildbaren und Erklärungsbedürftigen heraus. 
      Insbesondere mangelt es der Ethologie an den Begriffen “Gegenstand“ und 
      “Tätigkeit“, wodurch auch Begriffe wie “Gegenständlichkeit“ oder 
      “gegenständliche Tätigkeit“ nicht gebildet werden können. Empirische 
      Daten, die mittels eines solchen Begriffes abgebildet werden könnten, 
      werden damit aus der von der Ethologie zu beobachtenden Wirklichkeit 
      ausgeschlossen. Dadurch aber geht der von dem sowjetischen Psychologen A.N. 
      Leontjew für die Lösung dieses Problems bereits vor 50 Jahren erarbeitete 
      Stand der Aufarbeitung einschlägiger empirischer Befunde wieder verloren. 
      Als erster macht K. Holzkamp auf die ungenügende und fehlerhafte Rezeption 
      der Leontjewschen Gedankengänge aufmerksam (vgl.  3, S 47 )  Leontjew 
      entwickelt - als Psychologe -in konsequenter Weiterführung der 
      Engels‘schen Gedanken aus der “Dialektik der Natur“ ein konzeptionelles 
      System zur Erklärung der Genese des Psychischen, dessen philosophische 
      Verallgemeinerung auch der Ethologie Anstöße zur Weiterentwicklung ihres 
      paradigmatischen Schemas geben könnte. Dieser Gedanke kann im Rahmen 
      dieses Diskussionsbeitrages nicht ausgeführt, sondern nur im Sinne einer 
      vorläufigen Mitteilung geäußert werden. 
      Nur das Folgende sei dazu noch gesagt: In der Ethologie steht anstelle der 
      Kategorie des Gegenstandes die Kategorie des Reizes. Natürlich arbeitet 
      auch Leontjew ( ) mit der Kategorie des Reizes. In seiner Konzeption der 
      biologischen Tätigkeit der Tiere werden jedoch Reize als Merkmale von 
      Gegenständen gefasst, zu denen das Tier vermittels der Reize in Beziehung 
      treten kann, eben weil die Reize gesetzmäßig mit den Gegenständen 
      verbunden sind. Durch die Reduktion des Verhaltens auf “die organische 
      Steuerung und Regelung von Umweltbeziehungen als Selbstoptimierung auf der 
      Grundlage eines Informationswechsels unter Einbau und Nutzung von 
      Erfahrung in der Hologenese“ (6, S¨.13) werden die Reize begrifflich von 
      den Gegenständen getrennt, deren Merkmale sie sind. Damit aber wird die 
      Kategorie des Gegenstandes aus der Kategorie des Verhaltens 
      ausgeschlossen. Das aber .hat zur Konsequenz, dass in der Theorie die 
      Kategorie des nichtgegenständlichen Verhaltens unvermittelt der Kategorie 
      “gegenständliche Tätigkeit“ gegenübersteht. Es fehlt so das theoretische 
      Zwischenglied.( ) Leontjew hat mit der Ausarbeitung seiner Kategorie der 
      “gegenständlichen biologischen Tätigkeit“ einen wesentlichen Ansatz 
      geliefert, dessen philosophisch-theoretische Aufbereitung die genannte 
      theoretische Lücke schließen kann.   | 
        
      
       
       
       
       
       
       
       
       
       
       
        
      
        
      
        
      
        
      
        
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      Literatur: 
      1 Darwin, C.: Die Abstammung des Menschen, Leipzig 1949. 
      2 Herrmann, J.: Anthroposoziogenese - Fakten, Hypothesen und Probleme im 
      Erkenntnisfeld menschlicher Gattungsgeschichte. In: Menschwerdung - 
      biotischer und gesellschaftlicher Entwicklungsprozess.  Schriften zur Ur- 
      und Frühgeschichte, Berlin 1985, S. 47. 
      3 Holzkamp, K.: Grundlegung der Psychologie, Frankfurt a.M./New York 1983. 
      4 Holzkamp, K: Sinnliche Erkenntnis Historischer Ursprung und 
      gesellschaftliche Funktion der Wahrnehmung, Frankfurt a. M. 1973. 
      5 Löther, R.; Anthroposoziogenese und philosophische Konzeption vom 
      Menschen. In: Menschwerdung ...‚ a.a..0. 
      6 Tembrock, G.:  Grundriß der Verhaltenswissenschaften, Jena 1980. |