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Komplexe Systeme

Systeme lassen sich nach der Zustandsgröße unterscheiden, die das sinngebene Ungleichgewicht des Systems bilden. Dies können Unterschiede des thermischen, chemischen oder osmotischen Potentials sein. Sie bilden thermische, chemische oder osmotische Systeme. Systeme können gleichzeitig auch Potentialdifferenzen für mehr als eine  Zustandsgröße aufweisen und sich so in mehrfacher Hinsicht im Ungleichgewicht befinden. Systeme mit mehreren Potentialdifferenzen nenne ich "komplexe Systeme"

Abbildung 1 zeigt ein komplexes System mit einer hydrodynamischen und einer thermischen Potentialdifferenz. Der Zufluss versorgt das System mit warmem Wasser. Kaltes Wasser verlässt das System durch den Abfluss. Das Wasser besitzt einerseits potentielle Energie, die den Wasserstrom im Kanal bewirkt. Es ist zugleich Träger der thermischen Energie als Form innerer Energie. Im Kanal wird durch den Zufluss an warmem Wasser das Fließgleichgewicht des Wasserstroms aufrecht erhalten. Zugleich wird die thermische Energie an die Umgebung abgegeben und abgekühltes Wasser fließt ab.
Auch dieses System kann zu einem komplexen Kreisprozess erweitert werden (Abbildung 2). Da im System zwei Energieformen eine Rolle spielen, muss das auch in der Umgebung der Fall sein. Neben der kinetischen Energie für die Pumpe ist thermische Energie zur Heizung des Reservoirs erforderlich. Ohne andauernde Aufheizung der Reservoirs würde das System wieder in einen einfachen Kreisprozess übergehen. Das Reservoir ist erkaltet, nur der Wasserfluss findet weiter statt.

Kombinierte Systeme

Komplexe Systeme können nun miteinander kombiniert werden. So kann die freigesetzte Wärmeenergie unseres Beispielsystems in einen weiteren Trägerkreislauf überführt werden. Die funktionelle Komponente, welche die thermische Energie von der kinetischen Energie des Trägers trennt und in den zweite Kreisprozess überführt, ist eine "Schnittstelle". Die thermische Energie kann an die Umgebung abgegeben oder zum Verrichten anderer Arbeit eingesetzt werden (Abbildung 3). Dieses Prinzip liegt beispielsweise der Wärmepumpe zugrunde.
Die Besonderheit dieses Konstrukts beruht darauf, dass die zu Betrieb erforderliche kinetische Energie unabhängig von der mit dem Träger transportierten thermischen (oder jeder anderen inneren) Energie ist. Deshalb kann die Menge der mit dem Träger übertragenen Energie deutlich größer sein als die erforderliche Menge an Transportenergie. Bei Wärmepumpen wird ein Verhältnis von etwa 1:4 erreicht.
Auch die Fließgeschwindigkeiten des Flüssigkeitsstroms und des Wärmestroms sind voneinander unabhängig. Sie sind nur von der Größe der jeweils wirkenden Potentialdifferenz abhängig und dieser proportional. Auch der zweite Kreislauf (im Beispiel der Wärmekreislauf) braucht einen eigenen Antrieb. Im Beispiel könnte das die Schwerkraft sein. Bei Erwärmung dehnt sich Wasser aus, seine Dichte sinkt und es steigt nach oben. Kaltes Wasser sinkt dagegen nach unten. Die durch die Temperaturänderungen bewirkten Dichteänderungen bauen eine eigenständiges Potentialdifferenz auf, die als Pumpe" in einem eigenständigen Kreisprozess ein eigenständiges Fließgleichgewicht in Gang halten.
Der gesamte kombinierte Kreisprozess ist ein einheitliches System, ein Ganzes. Er wird durch die Energie der Umgebung angetrieben. Die sinngebende Komponente des Gesamtsystems ist das hydrodynamische Fließgleichgewicht AB. Durch die Pumpe wird seine hydrodynamische Potentialdifferenz erhalten. Sobald das System vom Zufluss an kinetischer Energie aus der Umgebung isoliert wird, kommt der Flüssigkeitsstrom zum Erliegen, das Fließgleichgewicht  erlischt und das System geht in seinen Gleichgewichtszustand über.
Anders ist das bei der thermischen Energie. Wenn sie ausfällt, kühlt das System ab und es entsteht wieder ein einfacher Kreisprozess. Die thermische Energie wird nur durch das System hindurch transportiert. Wenn der thermische Kreisprozess jedoch ausfällt, würde ein thermisch isoliertes System sich bis zur Temperatur des Reservoirs aufheizen (und ggf. kollabieren). Die Funktion des thermischen Kreisprozesses ist also die Kühlung. Ohne Kühlsystem ist das komplexe hydrodynamisch-thermische System nur existenzfähig, wenn ihm nicht auch thermische Energie aus der Umgebung zugeführt wird. Dann aber hätte der zweite Kreisprozess keine Funktion (keinen Sinn), das System wären wieder nur ein einfacher Kreisprozess.
Hydrodynamischer und thermischer Kreisprozess sind eigenständige Kreisprozesse, die auch unabhängig voneinander ablaufen können und eine eigene sinngebende Komponente besitzen. Der thermische Kreisprozess verläuft außerhalb des kombinierten Systems unabhängig von diesem nach den gleichen, eigenständigen Gesetzen (Abbildung 3 On Mouseover). Seine  sinngebende Komponente ist das thermische Ungleichgewicht.
Allein stehend hat es jedoch keine Funktion. Seine Funktion erhält es erst aus seiner Einordnung in das komplexe System mit anderer sinngebender Komponente. Durch diese Einordnung erhält es als neue, ihm fremde sinngebende Komponente die des anderen Systems. Das geschieht durch die Schnittstelle. Dieser ihm fremde Sinn ist seine Funktion. In einem Heizungssystem kann der thermische Kreisprozess auch die Funktion der Heizung erfüllen und die sinngebende Komponente sein.

 


Abbildung 1: Komplexes System mit hydrodynamischer und thermischer Potentialdifferenz

Beispiel:
In der Natur gibt es solche Systeme beispielsweise als heiße Quellen.


Abbildung 2: komplexer Kreisprozess in einem komplexen thermodynamischen System mit flüssiger Trägersubstanz (grün thermische Energie, rot eingerahmt: sinngebende Komponente)
On Mouseover: Zustand nach Erkalten


Abbildung 3: Kombiniertes System (grün: warmes Wasser, rot eingerahmt: sinngebende Komponente Schnittstelle)
On Mouseover
: Eigenständiger thermischer Kreisprozess nach dem Prinzip der Schwerkraftheizung.


Angemerkt:
1. Die Eigenständigkeit der Potentiale von Teilsystemen lässt einen neuen Blick auf das viel diskutierte Problem des Reduktionismus zu.
2. Bisher ist nur von artefiziellen Systemen die Rede, die ihren Sinn von ihrem menschlichen Designer erhalten. Die Frage nach dem Sinn natürlicher Systeme wird später zu erörtern sein.

Weiterführende Links:
Gute Animation des Prinzips der Wärmepumpe.

Der Begriff der freien Energie

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© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 14.07.2012

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