Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

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Kinetische Systeme

Die Konstruktion autonomer Systeme (), bei denen die innere Energie vom Substrat getrennt und in einem gesonderten Kreisprozess zum Antrieb der systemeigenen Pumpe genutzt wird, eröffnet Möglichkeiten zu einer vielfältigen Entwicklung dieser Designvariante. In dieser Ausstattung kann das autonome System beliebige funktionelle Komponenten antreiben. Durch die Kombination mit kinetischen Komponenten, welche die zugeführte Energie in Bewegungsenergie umzuwandeln vermögen, wird das System zur Selbstbewegung fähig. Je nach Ausstattung des Systems mit steuernden Komponenten kann es so zu unterschiedlichen Formen der Fortbewegung fähig gemacht werden.
Abbildung 1stellt die Designvariante eines kinetischen Systems auf der Basis eines einfachen autonomen Systems dar. Die eintretende Rückwirkung steuert nicht nur die Geschwindigkeit der Stoffaufnahme, sondern auch die Geschwindigkeit der Bewegung. Erfolg und Bewegung sind proportional. Bei großem Erfolg bewegt sich das System schneller als bei geringem Erfolg. Die Richtung der eingeschlagenen Bewegung ist zufällig und in keiner Weise vom Erfolg abhängig. Das System zappelt mit einer dem Erfolg proportionalen Geschwindigkeit.

Abbildung 2 stellt die Designvariante eines kinetischen Systems auf der Basis eines stabilen autonomen Systems dar. Auch hier erfolgt die Steuerung durch den Erfolg der Aktion. Da der Erfolg der Aktion jedoch durch eine Steuerkomponente gesteuert wird, ist die Geschwindigkeit dem Erfolg der Aktion umgekehrt proportional und das gilt auch für die Geschwindigkeit der Bewegung. Das System zappelt umso langsamer, je größer der Erfolg der Aktion des Systems ist.
Das hat nun gravierende Auswirkungen. In einer Umgebung, in der das System erfolgreiche Aktionen ausführen kann, zappelt es nur sehr langsam und ermöglicht so einen längeren Aufenthalt in dieser Umgebung. Nimmt der Erfolg der Aktionen ab und das System verlässt die ungünstige Umgebung. Das System wird also den Aufenthalt in Räumen bevorzugen, die sich durch eine geringeres Gefälle der Temperatur auszeichnen und so den energetischen Aufwand bei der Aufnahme von Energie minimieren ().
Die Richtung, in der die ungünstige Umgebung verlassen wird, ist auch hier zufällig. Wird die Umgebung noch ungünstiger, bewegt sich das System schneller, wird diese jedoch günstiger, bewegt es sich langsamer und verweilt länger. Das System kommt in einer Umgebung
zur Ruhe, in der es Erfolg hat. Bei ausbleibendem Erfolg entfernt es sich. Ein solches System würde sich folglich nur in einer Umgebung aufhalten, in der es in der die Aktionen erfolgreich sind, durch die es sich erhalten kann. Eine Umgebung, die seine Existenz gefährdet, würde es jedoch verlassen. In der Biologie nennt man diese Bewegungsform  „Kinese“.

Abbildung 3 stellt die Designvariante eines kinetischen Systems auf der Basis eines sensorischen autonomen Systems dar. Auch sein Verhalten ist als Kinese zu bezeichnen.  Das System kommt in einer Umgebung zur Ruhe, in der es Erfolg hat. Bei ausbleibendem Erfolg entfernt es sich. Da das System den Erfolg bereits erwartet, bevor er eintritt, kann es seine Bewegungen auch viel schneller auf die Erwartungen des Systems einstellen. Es verlässt ungünstige Bedingungen schon bevor der Misserfolg eingetreten ist und verweilt in günstigen bereits dann, wenn der Erfolg sich gerade einzustellen beginnt.
Die signalgesteuerte Kinese ermöglicht es dem System, seine Aktionen zur Selbsterhaltung effektiver auf die jeweils gegebenen Bedingungen der Umgebung einzustellen, als dies bei der einfachen Kinese der Fall ist.
Auch Systeme mit signalgesteuerter Kinese können manipuliert
werden ().

Ein solches System ähnelt dem „Wesen 1“, einem „Braitenberg´schen Vehikel“. Im Unterschied zu diesem kann das sensorische System seine Bewegung nicht nur durch Signale steuern. Das System überprüft durch das tatsächlich eingetretene  Fließgleichgewicht die Information über die Erwartung und kann sie jederzeit durch unmittelbare Steuerung korrigieren.
Das Kriterium dieser Prüfung ist das Fließgleichgewicht der sinngebenden Komponente des Systems. Die Selbsterhaltung des Systems als Bewertungskriterium der erwarteten Änderungen der Umgebung muss nicht als gesonderte Komponente konzipiert werden, sondern ist immanentes Merkmal stabiler autonomer Systeme, das durchaus sinnvoll als Ziel des Systems bezeichnet werden kann. Diese Zielorientiertheit wird durch die Kombination der Komponenten des Systems bewirkt und wird so zu einer physikalischen Entität.
Baitenbergs Wesen bleiben dagegen Automaten, die die Resultate ihrer Bewegung nicht zu bewerten vermögen und die daher auch nicht der Selbsterhaltung dienen und so keinen Sinn haben. Sie agieren nicht, sie reagieren blind auf  äußere Einwirkungen. Sie
modellieren das, was in der Verhaltensbiologie weithin unter "Verhalten" verstanden wird.

Das bisher konstruierte kinetische autonome hydrodynamische System ist also (nachdem es gestartet wurde) zu einer zielstrebigen Bewegung aus eigenem Antrieb fähig. Es zeigt also Merkmale, die gewöhnlich nur lebenden Systemen zugeschrieben werden. Warum also sollte ein solches System nicht als „hydraulisches Lebewesen“ bezeichnet werden? Dieser Frage will ich mich auf der folgenden Seite zuwenden.

 


Abbildung 1: Ungerichtete  Bewegung, "Zappeln" (K kinetische Komponente, Schnittstellen)

 

 

 

Abbildung 2: Gesteuerte Bewegung, Kinese  (K kinetische Komponente, Schnittstellen S.90)

 

 

Abbildung :Signalgesteuerte Kinese  (K kinetische Komponente, Schnittstellen S. 95 ff)

 

Angemerkt:
Valentino Braitenberg stellt in seinem lesenswerten Buch "Vehikel" dar, wie mit einfachsten Sensoren ausgestattete Fahrzeuge autonom auf Reize reagieren. Er zeigt, dass auch  sehr komplexes Verhalten durch einfache Steuermechanismen erreicht werden kann. (Braitenberg, Valentin (1993): Vehikel. Experimente mit kybernetischen Wesen, MMV Medizin Verlag GmbH)

Angemerkt:
Theoretische Anthropologie, S. 95ff.

Weiterführende Links:
Theoretische Anthropologie, Kapitel 2 S.95ff.

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© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 14.07.2012