Aktive Systeme
Das autonome System kann seine interne
Potentialdifferenz nur im Zustand der Isolation und nur für eine gewisse
Zeit erhalten. Es ist zeitweilig autonom. Nur in dieser Zeit ist seine
Existenz von äußeren Einwirkungen unabhängig.
Als isoliertes System kann es auch keine Energie aus der Umgebung
aufnehmen, selbst wenn eine geeignete Umgebung zur Verfügung steht. Die
dauerhafte Existenz des Systems erfordert folglich neue funktionelle
Komponenten, welche die Aufnahme von Energie aus der Umgebung ermöglichen.
Wenn die Existenzzeit des autonomen Systems abgelaufen ist , hat die
Potentialdifferenz, die den sinngebenden Prozess (
) des Systems bildet, den
Wert 0 erreicht. Dann erreichen auch alle anderen Potentialdifferenzen den
Wert 0 und das System hat sein thermodynamisches Gleichgewicht erreicht,
Alle Prozesse kommen zur Ruhe, das System ist „tot“ (Abbildung 1).
Da in unserer Konstruktion die Betriebsenergie Wärme ist, die mit Wasser
als Substrat transportiert wird, ist eine Umgebung mit warmem Wasser
erforderlich. Wie Abbildung 2 zeigt, reicht es dazu nicht, das Reservoir
durch Zu- und Abflusskomponenten mit der Umgebung zu verbinden. Die
Abbildung zeigt das tote System in warmem Wasser schwebend. Da in dieser
Konstellation keine hydrodynamische Potentialdifferenz zwischen System und
Umgebung besteht, kann das warme Wasser der Umgebung nicht in das System
gelangen. Allenfalls kann es zu einer gleichmäßigen Erwärmung des Systems
kommen, nicht aber zu einer hydrodynamischen Potentialdifferenz, die den
sinngebenden Prozess dieses Systems ermöglichen würde.
Daran würde auch ein Design wie in Abbildung 3
dargestellt nichts Grundsätzliches ändern. Das System befindet sich in
fließendem warmem Wasser, so dass eine hydrodynamische Potentialdifferenz
entsteht. Es würde zwar warmes Wasser in das Reservoir fließen, die
sinngebende Potentialdifferenz könnte aber so auch nicht wieder entstehen.
Dazu wäre ein Starter erforderlich, der mit externer Energie die Pumpe in
Gang setzt, welche die sinngebende Potentialdifferenz wieder herstellt.
Erst danach könnte das System wieder arbeiten. Es hätte aber seine Autonomie
verloren, denn es ist passiv auf die Zufuhr der Startenergie aus der
Umgebung angewiesen. Seine zeitweilige Autonomie erhält es erst wieder,
wenn es von der Energiezufuhr isoliert wird. Ein totes System kann also in
keinem Fall von allein wieder zu arbeiten beginnen. Es muss von außen
gestartet werden.
Nach einem Start ist nur ein System in der in Abbildung 3 gezeigten
Konstellation funktionsfähig, bei der eine Potentialdifferenz zwischen
System und Umgebung die ständige Zufuhr von Energie gewährleistet. Damit
ist aber die Autonomie des Systems wieder aufgehoben, denn die Parameter der
Systemaktivität werden wieder durch die Umgebung determiniert.
In der Konstellation von Abbildung 3 ist sowohl eine thermische wie eine
hydrodynamische Potentialdifferenz gegeben, es genügen Zufluss und Abfluss
als neue funktionelle Komponenten. In der Konstellation von Abbildung 2
ist dagegen nur eine thermische Potentialdifferenz gegeben. Ein
Potentialfluss des Wärmeträgers ist so nicht möglich. Dazu sind
funktionelle Komponenten erforderlichen, welch die fehlende
hydrodynamische Potentialdifferenz ersetzen. Abbildung 4 und 5 zeigen zwei
mögliche Lösungen.
In Abbildung 4 verbindet ein thermischer Kreisprozess das Reservoir mit
der Umgebung und transportiert nach dem Prinzip der
Schwerkraftheizung Wärmeenergie in das Reservoir. Dazu muss die
Temperatur der Umgebung höher sein als die Systemtemperatur. Der Transport
erfolgt zwar gegen die hydrodynamische Potentialdifferenz, nicht aber
gegen die die thermische.
Ist die Umgebungstemperatur dagegen nicht höher als die Systemtemperatur,
kann kann durch eine durch das System selbst angetriebene Pumpe warmes
Wasser in das Reservoir gepumpt werden (Abbildung 5). Auf diese Weise kann Warmwasser
auch gegen das hydrodynamische Potentialgefälle aufgenommen werden, nicht
aber gegen ein thermisches Potentialgefälle.
Eine Aufnahme von Wärme gegen das Temperaturgefälle erfordert eine weitere
Ergänzung der funktionellen Ausstattung des autonomen Systems. Die den
thermischen Kreis (Abbildung 4) bewegenden Dichteänderungen werden zu
Zustandsänderungen weitergeführt, die dem
Carnotschen Kreis zugrunde liegen und einen Wärmetransport gegen
einen Temperaturgradienten ermöglichen, wie dies beispielsweise bei einem
Kühlschrank realisiert ist.
Diese Konstrukte machen deutlich, dass die in Thermodynamik übliche
Terminologie nicht ausreicht, um die dargestellten möglichen Formen nicht
isolierter autonomer Systeme zu
beschreiben und zu bezeichnen. In der Sprache der Thermodynamik stehen nur
die Kategorien "offen" und "nichtoffen" ("isoliert") zur Unterscheidung
verschiedener Typen thermodynamischer System zur Verfügung. Diese Termini
erfassen aber nur Prozesse, die in Richtung eines Potentialgefälles,
"bergab" verlaufen. Entgegengesetzt, "bergauf" verlaufende Prozesse sind
in diesem Kategoriensystem nicht vorgesehen. (Die gelegentlich anzutreffende Differenzierung der
nichtoffenen Systeme in "geschlossene" und "abgeschlossene" hilft hier
auch nicht weiter.)
Neben offenen und nichtoffenen thermodynamischen Systemen muss also eine
weitere Kategorie geschaffen werden. Ich schlage dafür die Bezeichnung "aktiv"
vor. Aktive thermodynamische Systeme sind autonome thermodynamische Systeme, die
Stoffe und Energie gegen eine Potentialdifferenz zur Umgebung aufnehmen
können. Die funktionelle Komponente, die das bewirkt, nenne ich "Resorber".
In einem Resorber erfolgt der Wärmeaustausch nicht durch Veränderungen der
Temperatur, sondern durch eine Veränderung des Aggregatzustandes, z.B.
durch Verdampfen und Kondensieren. Vorgänge dieser Art können auch
thermodynamisch gegen den Temperaturgradienten verlaufen. Zur Bewegung des
Energieträgers ist dabei eine Pumpe erforderlich, da die Schwerkraft hier
nicht wirksam werden kann. Der Antrieb dieser Pumpe kann wieder durch das
System selbst erfolgen (Abbildung 6).
Ein thermodynamischer Köper kann nur isoliert sein,
wenn zu seiner Umgebung keine Potentialdifferenzen bestehen. Besteht eine
Potentialdifferenz, kann diese nur nur durch eine undurchlässige Wand
aufrecht erhalten werden. Wird diese Wand entfernt, wird der Körper zur
Komponente eines thermodynamischen Systems, das spontan, autonom einem
Gleichgewichtszustand zustrebt. Dieser Prozess ist das thermodynamische
System, das unaufhörlich seinem Ende, dem thermodynamischen Gleichgewicht
zustrebt.
Das System, d.h. also der Prozess, kann nur als Fließgleichgewicht
erhalten werden, indem die Potentialdifferenz durch Zufluss und Abfluss
aufrecht erhalten wird. Sobald Zufluss oder Abfluss verschlossen werden,
hört der Prozess auf, das System zerfällt. Ein elementares System kann
also nur als offenes System gedacht werden. Der Ausdruck "geschlossenes
System" ist also ein Widerspruch in sich (
).
Erst mit der funktionellen Ausstattung des autonomen Systems kann sich das
Fließgleichgewicht (zeitweilig) auch im Zustand der thermodynamischen
Isolation erhalten.
Diese Isolation des autonomen Systems ist nicht durch eine äußere Wand
bedingt, sondern durch seine funktionelle Organisation, die zu seiner
(zeitweiligen) Erhaltung keine funktionellen Komponenten aufweist, die zur
Herstellung thermodynamischer Beziehungen zur
Umgebung geeignet sind. Die dauerhafte Erhaltung des autonomen
Systems erfordert deshalb spezifische funktionelle Komponenten. Einige
Möglichkeiten dazu wurden hier erörtert.
Das aktive System (Abbildung 6) stellt in der Reihe der
entwickelten Konstrukte eine neue Qualität dar, denn es überschreitet eine
thermodynamische Grenze. Nur dieses autonome System kann dauerhaft in
einer Umgebung existieren, in der sowohl das hydrodynamische Potential als
auch das thermische Potential kleiner sind als das Systempotential. Das
aktive System kann also gegen die Umgebung agieren. Eine weitere Analyse
der Besonderheiten der aktiven autonomen Systeme werde ich später
vornehmen.