Beiträge zur Erkenntnistheorie

Nichts ist in unseren Sinnen, bevor es in unserem Verstand war.

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Metapher und Erklärungsprinzip

Metapher und wissenschaftliches Erklärungsprinzip scheinen völlig verschiedene Formen des Denkens zu sein. Sieht man genauer hin, entdeckt man überraschende Gemeinsamkeiten.

Erkenntnis versus psychische Abbilder

Eines der bis heute heiß diskutierten Probleme der Erkenntnistheorie ist das Induktionismusproblem, d.h. die Frage nach der Beziehung theoretischer Erkenntnisse zur Realität. Heute wird gewöhnlich davon ausgegangen, dass es keinen Weg gibt zweifelsfrei festzustellen, ob theoretische Erkenntnisse, d.h. Erkenntnisse, die in einer theoretischen Sprache formuliert sind, wahr sind, d.h. mit der Realität „übereinstimmen“. Das wird auch für empirische Erkenntnisse angenommen, die in „Protokollsätzen“ („Basissätzen“) einer Beobachtungssprache formuliert sind, da auch diese zumindest Termini enthalten, die einer Theorie entnommen sind und daher Beobachtungen (Wahrnehmungen) bereits interpretieren und so die „Objektivität“ der Wahrnehmung verfälschen.
Dieser erkenntnistheoretische Standpunkt liegt auch methodologischen Auffassungen zugrunde, wie sie in Begriffen wie „Paradigma“ (Kuhn) oder „Erklärungsprinzip“ (Judin) abgebildet sind(). Sie gehen davon aus, dass jeder empirischen Erkenntnis (Basissatz, Gegenstandsbeschreibung) theoretische Erkenntnisse vorausgesetzt sind, die Inhalt und Grenzen der empirischen Erkenntnis bestimmen. Diese jeder empirischen Erkenntnis vorausgesetzten Theorien (Paradigmata, Erklärungsprinzipien) können nicht auf induktivem Wege aus den Basissätzen oder Gegenstandsbeschreibungen abgeleitet werden.

Über die Herkunft der Paradigmata oder Erklärungsprinzipien zugrunde liegenden Theorien schweigen die meisten Erkenntnistheorien und Methodologien. Kreativität und Intuition sind die verbreitet angebotenen Lösungen, wenn man nicht eine „objektive Erkenntnis ohne erkennendes Subjekt“ (Popper) postuliert.
Die Crux liegt in diesem Dilemma darin, dass es im Begriff der Erkenntnis liegt, dass sie in sprachlich ausgedrückter und damit in gesellschaftlicher Form gegeben ist. Sie wird vom Individuum durch Lernen angeeignet und ist damit jeder weiteren individuellen Erkenntnis vorausgesetzt. Wie Kuhn eindrucksvoll zeigt, ist die ungeprüfte Aneignung von Paradigmata durch wissenschaftliches Lernen Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einer wissenschaftlichen Gemeinschaft. Aber auch neue Paradigmata und Erklärungsprinzipien entstehen nur im Rahmen und in Bezug auf die Grenzen bestehender Erkenntnis, indem sie diese überschreiten.

In diesem Paradigma der Erkenntnistheorie kann die eigenständige Entstehung von neuen Paradigmata und Erklärungsprinzipien nicht beschrieben werden. Dazu ist ein neues Erklärungsprinzip für Erkennen erforderlich, dass die Entstehung von Erkenntnis außerhalb und unabhängig von bestehender Erkenntnis beschreibbar macht. Dazu müssen wir den Begriff der Erkenntnis zunächst von seiner sprachlichen und damit gesellschaftlichen Bindung lösen und ihn abstrakt als ursprüngliches psychisches Abbild fassen, das noch nicht seine sprachliche und damit gesellschaftliche Form erhalten hat. Ursprüngliche psychische Abbilder konstruiert das Subjekt nicht in Bezug auf die vorhandenen psychischen Abbilder, sondern in Bezug auf seine Bedürfnisse. Es konstruiert ein psychisches Bild der Realität, das die Aktionen steuert, durch die seine Selbsterhaltung gewährleistet werden sollen./1/
Der stofflich-energetische Erfolg der Tätigkeit verifiziert das ursprüngliche steuernde Bild In dieser Tätigkeit organisiert das Individuum auch seine Wahrnehmung, durch die das ursprüngliche Konstrukt ein sinnliches Abbild und schließlich eine sinnliche Erkenntnis, eine Idee wird.

In gesellschaftlicher (kollektiver) Tätigkeit kann dieses Bild dann in sprachlichen Zeichen ausgedrückt, kommuniziert und vergesellschaftet werden, so dass es als gesellschaftliche Erkenntnis, als Idee Voraussetzung anderer Tätigkeiten und Erkenntnisse wird. In dieser abstrakten Form als Idee hat die Erkenntnis keine sinnliche Komponente mehr. Diese erhält sie erst, wenn sie vom Individuum durch Lernen angeeignet mit dessen individueller Wahrnehmung verbunden wird. Die eine im Wort ausgedrückte abstrakte, gesellschaftliche Idee erhält so viele individuelle sinnliche Komponenten.
Die gesellschaftliche Idee ohne sinnliche Komponente ist deshalb per definitionem nicht verifizierbar. Das ist erst in der individualisierten Form der individuellen Erkenntnis möglich und kann so nur für die Erkenntnis des  jeweiligen Individuums erfolgen, nicht aber für die gesellschaftliche Idee per se./2/
Die gesellschaftliche Erkenntnis ist nun der individuellen Erkenntnis vorausgesetzt, sie wird zu dieser Voraussetzung durch die Vergesellschaftung der ursprünglichen individuellen psychischen Abbilder in den Ideen. Diese Vergesellschaftung findet in der kollektiven Tätigkeit statt. Durch die Aneignung der gesellschaftlichen Ideen beim Lernen werden sie zu Paradigmata, Erklärungsprinzipien, Weltanschauungen, Religionen usw., die nun dem individuellen Erkennen als steuernde Komponenten vorausgesetzt sind.

Transfer

Die vielfache individuelle Aneignung gesellschaftlicher Ideen schafft erst die Möglichkeit, dass das eine ursprüngliche psychische Abbild eines Gegenstandes zum psychischen Abbild anderer Gegenstände wird. Das Lernen beginnt in der Regel bei einem dem Lernenden unbekannten Wort. Die sinnliche Komponente der in diesem Wort ausgedrückten gesellschaftlichen Idee muss der Lernende in einem eigenständigen schöpferischen Akt in einer Lernsituation selbst hervor bringen. Sie kann auf keine Weise irgendwie „vermittelt“ werden.
Wenn ein Mensch beispielsweise das ihm unbekannte Wort „Taschenuhr“ hört und ein Kenner der Sprache zeigt dabei auf einen Kaktus, produziert der Lernende sinnliche Komponenten, die er Wort „Taschenuhr“ zuordnet. Für diesen Menschen erhält das Wort „Taschenuhr“ so die von ihm erzeugten sinnlichen Komponenten des wahrgenommenen Kaktus.
Tieren fehlt eine Sprache, deshalb sind ihre psychischen Abbilder immer ursprüngliche Abbilder des einen Gegenstandes. Sie bilden die Grundlage ihres oft erstaunlichen Langzeitgedächtnisses.
Die Übertragung („Transfer“) des psychischen Abbildes eines Gegenstandes auf einen anderen Gegenstand ist nur auf dem Weg über die abstrakte gesellschaftliche Idee möglich, bei dem sich das psychische Abbild in der Kommunikation von der sinnlichen Komponente des Sprechers befreit und nun mit den beim Hörer vorhandenen oder gebildeten sinnlichen Komponenten verbunden wird.
Die Ausstattung von Wörtern mit sinnlichen Komponenten können Individuen auch als individuelle Leistung außerhalb von Kommunikation erbringen, indem sie die erworbene Sprachfähigkeit benutzen und individuelle Wörter erzeugen, die sie zunächst zur Bildung abstrakter Ideen nutzen, die sie dann mit individuellen symbolischen Komponenten ausstatten./3/
Die Ausstattung neu angeeigneter Ideen mit den individuellen sinnlichen Komponenten erfolgt in der Tätigkeit, in der die Individuen ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen. Unterschiedliche Bedürfnisse bestimmen die individuelle Bewertung der Wahrnehmungen, durch die die sinnlichen Komponenten der angeeigneten Ideen gebildet werden.
Diese Tätigkeit ist besonders bedeutsam, wenn das Kind sich seine Muttersprache aneignet. Jerome Bruner (1987) beschreibt diesen Prozess anschaulich und einprägsam. Die Wörter gewinnen ihre Bedeutungen in der unmittelbaren Sprechsituation und ihren Sinn in Bezug auf die unmittelbar anschaubaren Gegenstände (oder deren Abbildungen). Das individuelle Abbild erhält so den gleichen Satz an Merkmalen wie die gesellschaftliche Idee.
Die dabei benutzte Sprache ähnelt der von Daniel Everett beschriebenen Sprache der Pirahã (), die ihrem Leben nach dem „Prinzip der unmittelbaren Erfahrung“ (Everett 2010) entspricht. Die Sprache und die in ihr ausgedrückten gesellschaftlichen Ideen werden bei diesem ursprünglichen Transfer auf Gegenstände der gleichen Art, d.h. auf Gegenstände mit dem gleichen Merkmalssatz übertragen.

Metaphern

Eine weitere Form des Transfers geschieht beim metaphorischen Gebrauch der Sprache. Im Unterschied zum ursprünglichen Transfer wird durch eine Metapher dem bezeichneten Objekt nicht der gesamte Satz an Merkmalen zugeschrieben, sondern nur eine Auswahl. Die Metapher meint etwas Anderes als sie sagt. Eines der Lieblingsbeispiele der Linguistik ist der Satz: „Peter ist noch ein Kind.“ Wenn der bezeichnete Peter nicht 10 Jahre alt ist sondern 30, meint der Satz etwas Anderes als er sagt.
Es ist hier nicht der Ort, an dem alle geistigen Leistungen zu analysieren, die ein solcher Gebrauch der Sprache sowohl beim Sprecher wir beim Hörer herausfordert. Hier soll es zunächst nur um den Aspekt gehen, der in der Linguistik mit dem Begriffen „Bildspender – Bildempfänger“ erfasst wird. Ein in der Sprache gegebenes ideelles Bild wird einem Gegenstand zugeschrieben, der ursprünglich nicht in diesem Bild abgebildet wurde. Dadurch wird dieses Bild mit neuen sinnlichen Komponenten ausgestattet. Dieses ideelle Bild ist also vor dem abzubildenden Gegenstand gegeben. In der Metapher bildet es den Gegenstand nicht unmittelbar ab, sondern organisiert das Abbilden, insbesondere die Wahrnehmung als die sinnliche Komponente dieses Prozesses. Durch die Metapher erhalten die sinnlichen Daten der Wahrnehmung ihre Information.
Um diesen Sachverhalt angemessen darstellen zu können, muss man über einen dazu geeigneten Begriff der Wahrnehmung verfügen. die Wahrnehmung beginnt mit einem hypothetischen psychischen Konstrukt, das sinnlichen Daten ihre Information zuweist. Wenn dieses Konstrukt auf dem in einer praktischen Tätigkeit zu befriedigenden Bedürfnis basiert, ist das Ergebnis der Wahrnehmung das sinnliche Abbild, das als empirischer Begriff in der Sprache ausgedrückt wird. Das Bedürfnis organisiert die Wahrnehmung und bestimmt die psychische Information der Nachrichten der Sinnesorgane. Was man sieht, wird vom Bedürfnis der Tätigkeit bestimmt. Der Gegenstand wird im Begriff abgebildet und in der Sprache ausgedrückt.
Ist der Begriff jedoch bereits vorhanden und wird einem Gegenstand zugeordnet, dann tritt dieser Begriff als Metapher an die Stelle des ursprünglichen Konstrukts und organisiert die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung wird nicht mehr vom Bedürfnis organisiert, sondern von einer Idee. Das organisierende Konstrukt ist in dem Begriff gegeben, welcher der Metapher zugrunde liegt und ist der Wahrnehmung vorausgesetzt. In diesem Fall wird der Gegenstand auf diesen Begriff abgebildet.
Gedankliche Operationen dieser Art können nur als Operationen einer anderen Tätigkeit entstehen, d.h. in einer Tätigkeit, die nicht das Bedürfnis befriedigt, das im empirischen Begriff abgebildet ist. Diese Tätigkeit ist folglich keine praktische Tätigkeit, die auf die Befriedigung eines materiellen, physischen Bedürfnisses des Subjekts gerichtet ist. Sie ist vielmehr eine theoretische Tätigkeit, die auf die Befriedigung eines geistigen, ideellen Bedürfnisses gerichtet ist, das in der Idee gegeben ist.
Als Komponenten praktischer Tätigkeit sind geistige Operationen auf Fragen danach gerichtet, wozu die Gegenstände nütze sind, was man mit ihnen anfangen kann. Als Operationen theoretischer Tätigkeit sind solche Operationen dagegen auf Fragen danach gerichtet, was ein Gegenstand ist und welche Eigenschaften ihn kennzeichnen. Theoretische Tätigkeit befriedigt keine physischen Bedürfnisse, sondern Erkenntnisbedürfnisse. Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist kein genießbares (beispielsweise essbares) Produkt, sondern eine Erkenntnis, ein ideelles Abbild des Gegenstandes. Dass auch Erkenntnisse mittelbar auch wieder der Organisation praktischer Tätigkeit dienen ist selbstverständlich. Theoretische Tätigkeit ist jedoch nicht unmittelbar auf die Befriedigung physischer Bedürfnisse gerichtet.

Erklärungsprinzipien

Die Erzeugung ideeller Abbilder ist stets von vorhandenen Konstrukten organisiert, die der ideellen Abbildung vorausgesetzt sind. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden.
·        
Der praktischen Tätigkeit liegen hypothetische Konstrukte zugrunde, die noch keine sinnliche Komponente besitzen. Diese erhalten sie erst durch die Wahrnehmung im Verlauf der Tätigkeit, wodurch sie zu Begriffen (Ideen) werden.
·        
Der theoretischen Tätigkeit liegen bereits ausgebildete Begriffe (Ideen) zugrunde, deren sinnliche Komponenten auch die Wahrnehmung der neuen Gegenstände organisieren.
Blumenberg verwendet zur Beschreibung dieser Funktion des Begriffs die Metapher der Falle:

„Viel­leicht kann man am deutlichsten machen, was ein Begriff leistet, wenn man an die Herstellung einer Falle denkt: sie ist in allem zugerichtet auf die Figur und die Maße, die Verhaltensweise und Bewegungsart eines erst erwarteten, nicht gegenwärtigen, erst in Besitz und Zugriff zu bringenden Gegenstandes.“(Blumenberg 2007, S.10)

Judin verweist auf die Polyfunktionalität von Begriffen und erfasst diese metaphorische Funktion des Begriffs mit dem Terminus „Erklärungsprinzip“. ()
Begriffe können nur dann metaphorisch verwendet werden, wenn und indem verschiedene Gegenstände mit dem gleichen Wort bezeichnet werden. Homonymie ist also eine notwendige Bedingung für das Entstehen von Erklärungsprinzipien.
Die Entstehung eines Erklärungsprinzips durch den metaphorischen Gebrauch einer Gegenstandsbeschreibung beschreibt natürlich nur den Anfang einer Entwicklung, die für jedes Erklärungsprinzip gesondert zu untersuchen ist. Die Arbeit an einem Erklärungsprinzip besteht u.a. darin, am Beispiel des Referenzobjekts (des Bildspenders) zu prüfen, welche Merkmale des Referenzobjekts Komponenten des Erklärungsprinzips sein sollen. Dadurch wird ein neues, ein theoretisches Referenzobjekt konstruiert, dessen Begriff durch seinen metaphorischen Gebrauch zum Schema (Erklärungsprinzip) für die Beschreibung anderer Objekte wird.
Dabei ist nicht zu umgehen, dass Erklärungsprinzip und Gegenstandsbeschreibung mit dem gleichen Terminus bezeichnet werden. Das ist keine vermeidbare Schwierigkeit, sondern notwendige Bedingung. Die möglichen Missverständnisse resultieren nicht aus der Homonymie, sondern vor allem aus der fehlenden Unterscheidung der jeweiligen Tätigkeiten, in denen die Begriffe gebildet werden.
Umgangssprachlich werden Metaphern oft ad hoc („okkasionell“) gebildet und gebraucht. ihre Bedeutung erschließt sich dann nur in der konkreten Interaktion. („Peter ist noch ein Kind“). Metaphern können sich aber auch im allgemeinen Sprachgebrauch fest etablieren und sich schließlich von ihrem Bildspender lösen und als „absolute Metaphern“ /4/ eigenständige Bedeutung erlangen.
Begriffe, die den Rang wissenschaftlicher Erklärungsprinzipien einnehmen, sind durch ein theoretisches Referenzobjekt definiert. Dieses ist gewissermaßen der Bildspender, der den Inhalt des Erklärungsprinzips vorhält.
In der umgangssprachlichen Metapher ist der Bildspender (das Referenzobjekt – ein Junge) singulär. Von diesem gibt es einen empirischen Begriff des Jungen, der nun auf Objekte (Bildempfänger) angewandt wird, die nicht in diesem Begriff abgebildet sind und nicht gemeint sind. Dadurch verändert sich weder der Umfang noch der Begriff des Jungen, sondern es wird ein spezifisches Bild des großen Peters konstruiert.
Im wissenschaftlichen Erklärungsprinzip kommt eine weiter Abbildungsstufe hinzu: das theoretische Abbild (Abbildung 1). Obwohl ein einheitlicher Inhalt des Erklärungsprinzips angestrebt wird, werden ganz verschiedene Referenzobjekte zugrunde gelegt, die in verschiedenen empirischen Begriffen abgebildet werden. Diese sind die Referenzobjekte ist des theoretischen Begriffs, der das Erklärungsprinzip ausmacht.
Ein typisches Beispiel ist das Erklärungsprinzip der Systemtheorie. Es gibt kaum Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Elemente das Erklärungsprinzip „Regelkreis“ enthält, trotzdem stellt sich der Eine beispielsweise als empirisches Referenzobjekt eine Aquarienheizung und ein anderer eine Toilettenspülung vor, wenn er Termini wie „Messglied“ oder „Stellglied“ sagt. Alle meinen dasselbe, wenn sie „Regelkreis“ sagen, je nach Ausbildung, wissenschaftlicher Schule und wissenschaftlicher Disziplin stellt sich jeder einzelne etwas anderes vor.

Nicht alle Erklärungsprinzipien haben schon die Reife der Begriffsbildung der Regelungstheorie erreicht, so dass der „ursprüngliche metaphorische Anteil“ im Erklärungsprinzip noch relativ hoch ist. Die Kategorien „Tätigkeit“ und „System“ sind Beispiele für Erklärungsprinzipien in der Entwicklung. Ob in einem gegebenen Zusammenhang „Tätigkeit“ beispielsweise ein reales Objekt, ein empirisches Referenzobjekt oder das theoretische Referenzobjekt eines Erklärungsprinzips sein soll, kann oft nur aus dem Kontext (okkasionell) entschieden werden.

 

 

Inhalt:
Erkenntnis versus psychische Abbilder
Transfer
Metaphern
Erklärungsprinzipien

Druckversion (pdf)


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vollständiges Zitat:
 „Ich versuche, das anthropologisch, genetisch zu verstehen. Der Mensch, das Wesen, das sich aufrichtet und den Nahbereich der Wahrnehmung verläßt, den Horizont seiner Sinne überschreitet, ist das Wesen der actio per distans. Er handelt an Gegenständen, die er nicht wahrnimmt. In den Höhlen, die seine erste Unterkunft sind, zeichnet er die Gegenstände seines Begehrens und seines Kampfes ums Dasein an die Wände. Der Begriff entsteht im Leben von Wesen, die Jäger und Nomaden sind. Vielleicht kann man am deutlichsten machen, was ein Begriff leistet, wenn man an die Herstellung einer Falle denkt: sie ist in allem zugerichtet auf die Figur und die Maße, die Verhaltensweise und Bewegungsart eines erst erwarteten, nicht gegenwärtigen, erst in Besitz und Zugriff zu brin­genden Gegenstandes. Dieser Gegenstand wiederum ist bezogen auf Bedürfnisse, die nicht die des heutigen Tages sind, die eine Dimension der Zeit haben. Eine anthropologische Theorie des Begriffs ist ein dringendes Desiderat, denn nur sie erlaubt funktionale Betrachtung sowohl der Leistung des Begriffs als auch ihres Zurückbleibens gegenüber solchen Ansprüchen, die nicht aus der nomadischen Lebensform hervorgehen, sondern die Muße der Seßhaftigkeit zur Voraussetzung haben. Denn es besteht der merkwürdige Sachverhalt, daß zwar der Begriff ein Produkt der Lebensform von Jägern und Nomaden ist, aber die Theorie, die als Inbegriff der Leistungen von Be­griffen erscheint, die urbane Seßhaftigkeit und Arbeitsteilung zur Voraussetzung hat.“

 

 

 

Abbildung 1: Reales (links), empirisches Referenzobjekt und  theoretischer Begriff (OnMouseover) des Erklärungsprinzips „Regelkreis“

 

 

 

Weiterführende Links:
Theorie und Empirie
Das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten
GEO- Beitrag über die Pirahãs

Weiterführende Literatur:
Blumenberg, Hans (1998): Paradigmen zu einer Metaphorologie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main,
Blumenberg, Hans (2007): Theorie der Unbegrifflichkeit, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main,
Bruner, Jerome (1987): Wie das Kind sprechen lernt, Hans Huber, Bern, Stuttgart, Toronto,

Everett, Daniel (2005): Cultural Constraints on Grammar and Cognition in Pirahã, Current Anthropology, Volume 46, Number 4,, Seiten 621 bis 646,

Everett, Daniel (2010): Das glücklichste Volk * Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas, Deutsche Verlags - Anstalt, München,
Kuhn, Thomas S. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main,
Kurz, Gerhard (2004): Metapher, Allegorie, Symbol, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen.

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© Dr. G. Litsche 2009
Letzte Bearbeitung: 07.10.2012