Subjekte Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind. |
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Subjekte |
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Wenn die Welt so wäre, wie
sie aussieht, brauchten wir nur hinzusehen, Kulturhistorische Schule und TätigkeitstheorieBei der Suche nach einem Anker für
mein wissenschaftliches Denken stieß ich bald auf Wygotskis „Denken und
Sprechen“. Diese Arbeit gab mir wesentliche Anstöße zur Entwicklung der
Grundzüge einer Theorie des Lernens und der Bildung , die ich im Jahr
1968 in meiner Dissertation darlegte.
In dieser Auffassung sehe ich auch die Überwindung
des Standpunktes des erkenntnistheoretischen Konstruktivismus, der die vom
Menschen gestaltete Welt auf eine gedachte Welt, auf ein theoretisches
Konstrukt reduziert. In der kulturhistorischen Auffassung wird dagegen die
vom Menschen gestaltete Welt der Kultur als die reale Welt angesehen, die
sich der Mensch in seiner schöpferischen Tätigkeit tatsächlich, wirklich
aneignet. Tätigkeit, Subjekt, Gegenstand Leont´ev entwickelte seinen Tätigkeitsbegriff zwar nicht als Beschreibung eines biologischen Gegenstandes, sondern als Erklärungsprinzip für das Psychische. Gleichwohl enthält seine Darstellung aufschlussreiche Beschreibungen biologischer Tätigkeiten. Dadurch erhält seine Darstellung zusätzlich Elemente einer Theorie des Gegenstandes „Tätigkeit“, was gewöhnlich im Terminus „Tätigkeitstheorie“ ausgedrückt wird. Das Erklärungsprinzip Leont´evs zur Beschreibung der biologischen Tätigkeit ist das Prinzip der Wechselwirkung
Mit dieser Bestimmung wird die Tätigkeit als
spezifische Form der Wechselwirkung definiert. Die Spezifik der Tätigkeit
besteht darin, dass die für die physikalische und chemische Form der
Wechselwirkung charakteristische Gleichwertigkeit der beteiligten Partner
aufgehoben wird, wie sie im dritten
Newton´schen Gesetz „Aktion ist gleich Reaktion“ beschrieben wird. In
der Tätigkeit sind die Partner nicht gleichwertig. Ein Partner ist aktiv,
dieser ist das Subjekt der Tätigkeit.
Während die Verhaltensbiologen seiner Zeit die vorliegenden empirischen Daten mit den Erklärungsprinzipien der Gestaltpsychologie (z.B. Köhler), dem Reflexbegriff (z.B.Pawlow) oder dem Begriff des Instinkts (z.B. Lorenz) abbildeten und so die Kategorie der Psyche zu erklären versuchten, benutzte Leont´ev dazu den von ihm entwickelten Begriff der Tätigkeit. Für mich als Biologe ist dagegen der Umstand besonders bedeutsam, dass der Tätigkeitsbegriff sich auch als ein Erklärungsprinzip für die Biologie erwies, das mir neue und tiefere Einsichten in die Erkenntnis des Lebendigen ermöglichte. Diesen Ansatz habe ich in der „Theoretischen Anthropologie“ () weiter ausgeführt und relativ umfassend entwickelt. Die Kategorie des Gegenstandes ermöglichte es Leont´ev, die Tätigkeit als „Einheit“ des Lebensprozesses zu erfassen, d.h. als abgrenzbaren singulären Prozess mit Anfang und Ende.
Verschiedene Tätigkeitsbegriff bedingen verschiedenen Tätigkeiten. Das machte es möglich, die Struktur der einzelnen Tätigkeit genauer zu erfassen und Kategorien wie „Operation“, „Verfahren“ und „Handlung“ zu unterscheiden. Auch für diese Kategorien ist der Begriff des Gegenstandes eine entscheidende Bezugsgröße.Von besonderer Bedeutung ist weiter der Nachweis, dass die intellektuelle Tätigkeit der Tiere in zwei unterscheidbare Phasen gegliedert ist:
Diese Begriffe ermöglichten es nun, die Besonderheiten der kollektiven Tätigkeit als der charakteristischen Tätigkeit des Mensch herauszuarbeiten. Von besonderer Bedeutung ist hier die Umwandlung der Operationen des kollektiven Subjekts in die individuellen Handlungen seiner Mitglieder. Der Begriff „Subjekt“ ist dabei systemtheoretisch zu verstehen, d.h. er ist nicht auf Gebilde einer bestimmten empirischen Stufe oder Ebene bezogen. Er bezeichnet vielmehr die Funktion sowohl von Individuen als auch von Kollektiven von Individuen im Prozess ihrer Tätigkeit. Der Ausdruck „Subjekt der individuellen Tätigkeit“ hat also einen anderen empirischen Bezug als „Subjekt der kollektiven Tätigkeit“. Auf diese doppelte Verwendungsweise des Ausdrucks „Subjekt“ weist Leont´ev auch hin:
Für Leont´ev ist mit dieser Bestimmung der Tätigkeit
des kollektiven Subjekts die Funktion dieses Begriffs als
Erklärungsprinzip für die Kategorie der (individuellen) Psyche hinreichend
beschrieben. Er ermöglicht die Entwicklung des Begriffs der individuellen
Handlung und von Kategorien wie „Motiv“ und „Bedürfnis“ oder „Sinn“ und
„Bedeutung“.
Der Begriff des Gegenstandes ermöglichte also die
Herausarbeitung der Operationsbegriffs und dann den Begriff der Handlung
als spezifisch menschlicher Form der Ausführung einer Operation des
kollektiven Subjekts, die nur in arbeitsteilig-kooperativer Tätigkeit
entsteht. |
Inhalt
Angemerkt:
Mit der Auffassung der Tätigkeit als Wechselwirkung war Leont´ev bedeutend weiter als die meisten Verhaltensbiologen seiner Zeit, die Leben nach dem physikalischen Erklärungsprinzip von Ursache und Wirkung zu erklären versuchten und das Verhalten auf das Modell Reiz – Reaktion abbildeten
Auch die Zellen als Teile einer Vielzellers sind Subjekte, sie sind Teilsubjekte des vielzelligen Gesamtsubjekts. Wie sich zeigen lässt (), ermöglicht diese Auffassung eine logisch konsistente Definition des Begriffs der Psyche als spezifische Funktion der Zellen des Nervensystems. Die Teilsubjekte des vielzelligen Organismus sind und auch als Teilsubjekte Subjekte.
Heute sind weltweit Wissenschaftlern in der ISCAR, der „International Society for Cultural and Activity Research“ vereinigt, die in regionalen und thematischen Sektionen zusammen arbeiten und regelmäßig internationale Kongresse abhalten. |
Weiterführende Links: |
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Weiterführende Literatur: Holst, Erich von (1974): Zentralnervensystem, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München Köhler, Wolfgang (1973): Intelligenzprüfungen an Menschenaffen, Springer - Verlag, Berlin. Heidelberg.New York Leontjew, Alexej (1964): Probleme der Entwicklung des Psychischen, Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin) Litsche, Georg A. (2004): Theoretische Anthropologie, Lehmanns Media-LOB, Berlin Litsche, Georg A. (1968): Spezifische Gesetze des Lernens im naturwissenschaftlichen Unterricht, Dissimilation. A. TU Dresden, unv. Litsche, Georg (1970) : Lernen – Forschen – Erkennen. In „Deutsche Zeitschrift für Philosophie“, Heft 2/1970, S. 174 bis 189 Litsche, Georg A. (1990): Freiheit - Gleichheit - Solidarität * Über die sozialen Grundlagen der Erziehung, Wissenschaftliche Zeitschrift der HU Reihe Gesellschaftswissenschaften Lorenz, Konrad (1992): Über tierisches und menschliches Verhalten - Gesammelte Abhandlungen I u. II, Piper & Co.Verlag, München, Zürich Pawlow, I.P. (1953): Ausgewählte Werke, Akademie-Verlag, Berlin |
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© Dr. G. Litsche
2006
Letzte Bearbeitung:
01.10.2012