Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

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Subjektwissenschaft

Teilprojekt Paradigmata
Einführung

Die modernen Naturwissenschaften sind u. a . durch das Paradigma verbunden, das Newton mit dem physikalischen Gesetz der Trägheit begründet hat. Es besagt, dass jeder Körper in seinem Bewegungszustand verharrt, bis eine äußere Kraft auf ihn einwirkt. In unserem naturwissenschaftlichen Weltbild hat das Gesetz der Trägheit den Charakter eines universellen Paradigmas angenommen. Wir vermögen es nicht, uns Veränderungen vorzustellen, die ohne äußere Ursache stattfinden. Was auch immer wo auch immer geschieht, stets versuchen wir die Frage zu beantworten, worin die Ursache des Geschehens besteht. Und wir sind erst zufrieden, wenn wir eine Antwort auf diese Frage gefunden haben. Vorgänge ohne eine letzte äußere Ursache können in diesem Paradigma nicht gedacht werden.
Im mikroskopischen Bereich gehört das Teilchenparadigma (d.h. die Vorstellung , dass die makroskopischen Körper aus Atomen und Molekülen bestehen) zu den grundlegenden Paradigmata der klassischen Physik. Auch für die Bewegung der (einzelnen) Teilchen gilt das Newtonsche Trägheitsparadigma. Die Beziehung der mikroskopischen zur makroskopischen Ebene wird durch das Paradigma der Zufälligkeit hergestellt. Die Gesetze der makroskopischen Ebene werden durch Verfahren der Statistik aus den mikroskopischen Ebene abgeleitet.
Autonome Aktionen können weiter nur als organisiert gedacht werden. Zufällige Aktionen ohne Organisation sind nur ungerichtetes, zielloses Zappeln. Autonome Aktionen sind nur als zielstrebig und organisiert denkbar. Solche Prozesse sind in der klassischen Physik jedoch nicht denkbar.
Dieses wissenschaftliche Weltbild ist also deterministisch, alle Vorgänge sind letztlich ursächlich bestimmt, auch wenn die Vorstellungen über die Art und den Charakter möglicher Ursachen sehr differenziert sein können.
In diesen Paradigmata der klassischen Physik haben autonome Aktionen (Abbildung 1 On Mouseover) keinen Platz, denn autonome Aktionen finden per definitionem unabhängig von äußeren Einwirkungen statt. Autonome Aktionen implizieren einen auf ein Ziel gerichteten "freien Willen" () der Akteure, implizieren Subjekte der Aktionen. Autonome Subjekte mit einem freien Willen stehen in offensichtlichem Widerspruch zu den physikalischen Gesetzen der Trägheit und der Zufälligkeit. Die Annahme eines freien Willens stellt Subjekte folglich außerhalb dieser Paradigmata und damit außerhalb der auf diesen ruhenden Naturgesetze Der freie Wille verbannt in dieser Sicht die Subjekte in das Reich der Metaphysik. Das ist eine logische Folge davon, dass das Kausalitätsparadigma in den Neurowissenschaften letztlich zum Solipsismus () führt.
Bis heute bestreiten manche Wissenschaftler die Existenz eines freien Willens grundsätzlich. Sie sind der Meinung, dass selbst der Mensch nicht über einen freien Willen verfügt. Ausgelöst von einem "Manifest" deutscher Neurophysiologen hat die Diskussion darüber ihren Weg bis in die Massenmedien gefunden ().

In der Biologie ist die Diskussion um dieses Problem als "Mechanismus - Vitalismus - Streit" bekannt. Die mechanistischen Lösungsansätze versuchten und versuchen, die Fortschritte speziell der naturwissenschaftlichen Forschung zu nutzen, durch immer neue naturwissenschaftliche Erklärungen die Phänomene des freien Willens auf physikalische, chemische, biotische, informationelle u. ä. Prozesse zu reduzieren.
Die vitalistischen und teleologischen Ansätze dagegen liefen und laufen darauf hinaus, die in den mechanistischen Erklärungen jeweils offen gebliebenen Fragen durch immer neue vitalistische und teleologische Konzepte zu beantworten. Die "Entelechie" Aristoteles -lange Zeit auch als Lebenskraft "vis vitalis" bezeichnet - gab dieser Richtung der Biologie ihren Namen. Hans Driesch  nahm die Bezeichnung "Entelechie" wieder auf und begründete den Neovitalismus. In neuerer Zeit lebt die vis vitalis beispielsweise im "morphischen Feld" von Rupert Sheldrake und in in dem kreationistischen Konzept des "intelligenten Designs" wieder auf.
Neben den Versuchen, die autonomen Aktionen der Lebewesen metaphysisch zu erklären, gibt es eine Reihe von Ansätzen, diese naturwissenschaftlich zu erklären, d.h. ohne die Annahme immaterieller Entitäten. Die Gesetze von Physik und Chemie bleiben in diesen Konzepten auch im Reich des Lebendigen gültig, ohne dass das Leben auf physikalisch-chemische Gesetze zu reduziert wird. Das eigentliche Problem dabei ist die Erklärung der spezifischen Besonderheiten des Lebendigen. (Mehr>>)

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Wissenschaftliche Entwicklung vollzieht sich sowohl durch kumulative Anhäufung von empirischen Daten und Theorien in "normaler Wissenschaft" als auch durch radikale Umgestaltungen der wissenschaftlichen Weltbilder, der Paradigmata, innerhalb deren sich die kumulative Entwicklung vollzieht.
Mit diesen Kategorien begründete Thomas S. Kuhn ein neues Paradigma zur Beschreibung und Einordnung wissenschaftlicher Arbeiten in die Phasen des wissenschaftlichen Fortschritts, das es dem Wissenschaftler ermöglicht, auch die eigene aktuelle Arbeit in den Prozess der Entwicklung seiner Wissenschaft einzuordnen.
Die Bedeutung des Terminus "Paradigma" fasst zwei Aspekte wissenschaftlicher Erkenntnis zusammen. Objektiv ist das Paradigma eine wissenschaftliche Theorie, die der Verifikation oder Falsifikation unterliegt und die verändert oder verworfen werden kann. Sie ist ein Erklärungsprinzip (Judin). Subjektiv, in der praktischen Forschungsarbeit des Forschers, wird dient es den meisten Forschern als  Ausgangspunkt und Kriterium seiner Arbeit. Diese zielt nicht auf Überprüfung des Paradigmas, dieses wird vielmehr als wahr vorausgesetzt. Ergebnisse, die nicht mit dem Paradigma übereinstimmen, führen in der normalen wissenschaftlichen Arbeit deshalb meist nicht zum Verwerfen des Paradigmas, sondern zum Verwerfen der Ergebnisse.
In der normalen wissenschaftlichen Arbeit unterscheidet Kuhn

●   die Bestimmung bedeutsamer Tatsachen innerhalb des Paradigmas,
●   die gegenseitige Anpassung von Fakten und Theorie z. B. durch die Beseitigung
     von  Ungenauigkeiten oder die Durchführung bestätigender Experimente und
●   die Artikulation des Paradigmas z. B. durch die Beseitigung noch bestehender
     Unklarheiten der Theorie, die Herleitung neuer Gesetze und Aufräumarbeiten, durch
     welche die vorhandenen Fakten im Sinne des Paradigmas geordnet und bewertet
     werden.

In dieser Sicht dient diese Website und die "Theoretische Anthropologie" der Artikulation des Tätigkeitsparadigmas und will vor allem "Aufräumungsarbeiten" leisten. Da das Tätigkeitsparadigma eine sehr große Anzahl von Fakten und Theorien aus der Biologie und den Wissenschaften vom Menschen erfasst, erwies sich diese Arbeit als weit umfangreicher als ursprünglich gedacht. Sie musste mit der Theorie der Entstehung des Lebens beginnen und reichte bist zur Theorie der Entstehung des Menschen. Eine besondere Schwierigkeit bestand zudem darin, dass die vorhandene empirischen Daten und die diese ordnenden theoretischen Konzepte das Tätigkeitsparadigma noch nicht auszufüllen vermögen und die so entstehenden "weißen Flecken" durch hypothetische Lösungen ersetzt werden müssen.

 

 




Anekdotisches:

Über Isaac Newton wird die bekannte Anekdote kolportiert, dass ein vom Baum fallender Apfel ihn zu der Entdeckung der Schwerkraft geführt habe. Auch diese Überlegung wird nur im Trägheitsparadigma logisch widerspruchsfrei verständlich, in dem dieser Vorgang nicht "von allein" stattfinden kann.


Abbildung 1: Das Trägheitsparadigma
(On Mouseover: Autonome Aktion)

 

 

 

 

Angemerkt:
Wenn hier von "freiem Willen" die Rede ist, geht es nicht nur um die Form, in der dieser beim Menschen bekannt ist und eine bewusste Reflexion des Antriebs einer Aktion voraussetzt. Es geht auch um die Antriebe, die den Aktionen der Lebewesen zugrunde liegen und die nicht durch äußere Einwirkungen hervorgerufen werden . Es geht also um das Verständnis des Lebendigen.
(Das Problem des Indeterminismus in der Quantenmechanik liegt in einem anderen Gedankensystem.) Hier geht es um Aktionen von spezifischen physikalischen Konstellationen, die "eigentlich" dem Determinismus der klassischen Physik unterliegen sollten.

 

 

 

Angemerkt:
Die Termini "normale Wissenschaft" und "Paradigma" wurden von Thomas S. Kuhn 1962 in die Wissenschaftstheorie eingeführt.
Wissenschaftliche Revolutionen sind durch Paradigmenwechsel gekennzeichnet, durch eine neue Sichtweise in die Wissenschaft eingeführt wird. Sie bewirken einen "visuellen Gestaltwandel" , der schließlich zu einem veränderten Weltbild führt.

 

Weiterführende Links:
René Descartes, Isaac Newton, Hans Driesch, Rupert Sheldrake, Thomas S. Kuhn,
Paradigma, Determinismus, Vitalismus, Metaphysik, Metaphysik (Geschichtliches), Morphisches Feld,

Weiterführende Literatur:
Kuhn, Thomas S. (1973): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main,
Suchotin, Anatoli Konstantinowitsch (1980): Kuriositäten in der Wissenschaft, Verlag Mir, Moskau,
Judin, Erik Grigor´evic (2009): Systemansatz und Tätigkeitsprinzip * Methodologische Probleme der modernen Wissenschaft, Lehmanns Media-LOB, Berlin-

© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 08.09.2011