Konsequenzen des Tätigkeitsparadigmas
Das Tätigkeitsparadigma ist als Kontrapunkt zum
Trägheitsparadigma der Physik abgeleitet worden. Es beansprucht daher
logisch den gleichen Gültigkeitsbereich wie dieses. In den
Naturwissenschaften ist also eine ähnliche Situation entstanden wie in der
Physik mit der Einsteinschen Relativitätstheorie. Sie entstand als
Kontrapunkt zur klassischen Physik und beanspruchte logisch den gleichen
Gültigkeitsbereich wie diese. Es setzte aber die Gesetze der klassischen
Physik nicht außer Kraft, sondern bestimmte nur ihren Gültigkeitsbereich
genauer: sie gelten nur für den Fall, dass die Geschwindigkeit der
beteiligten Körper im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit sehr klein sind.
Eine analoge Lösung lässt sich auch für das Trägheitsparadigma denken.
Auch dieses beschreibt einen Sonderfall: es gilt, solange kein Subjekt
beteiligt ist. Der allgemeine Übergang der Naturwissenschaften zu diesem
neuen Paradigma ist im Gange. Er begann in der Physik. Man könnte seinen
Beginn mit Bertalanffys Begriff des Fließgleichgewichts datieren, der mit
Prigogines Thermodynamik irreversibler Prozesse fortgesetzt wurde. Die
paradigmatischen Implikationen der Molekulargenetik und der Eiweißchemie
sind gegenwärtig noch wenig analysiert worden.
Einige Ansätze der Entwicklung des Tätigkeitsparadigmas in der Biologie
wurden am Beispiel der Verhaltensbiologie dargestellt. In
Erkenntnistheorie und Psychologie bezeichnet die Formel „Empirismus
versus Konstruktivismus“ schlagwortartig einen bedeutenden Aspekt
dieser paradigmatischen Debatte. In den soziologischen Wissenschaften
äußert sich die paradigmatische Debatte u.a. in der Bestimmung des
Verhältnisses Individuum – Gesellschaft.
Tätigkeit wurde als Beziehung zwischen Subjekten und Gegenständen
bestimmt. Bei der Analyse einer zweistelligen Beziehung sind immer zwei
Fälle möglich: beide Glieder sind gleichwertig oder ein Glied ist das
bestimmende, das andere das durch dieses bestimmte.
In der Tätigkeit wurde per definitionem das autonome, sich
selbst erhaltende, kreative Subjekt als das bestimmende Glied bestimmt,
als unabhängige Variable gesetzt. Das Subjekt erhält sich, indem es ein
Objekt zum seinem Gegenstand macht und diesen dann in seiner Tätigkeit
zerstört. Das Subjekt bestimmt seinen Gegenstand.
Diese Bestimmung hat Konsequenzen für alle Wissenschaften, die sich mit
Subjekten und ihren Gegenständen befassen. Die Reichweite dieser
Konsequenzen wird erst allmählich klar.
Auf einige dieser Konsequenzen soll in den folgenden Seiten kurz
hingewiesen werden.
Das Paradigma des Lebendigen
Zunächst muss das zunächst Paradigma des
Lebens anders gefasst werden. Leben ist keine einstellige Eigenschaft, die
bestimmten Entitäten absolut zukommen, nicht in Bezug auf etwas. Vielmehr
muss das Leben zweistellig, als Tätigkeit gefasst werden. Leben
erweist sich dann nicht als Zustand oder Prozess, Leben erweist sich als
eine Beziehung.
Leben ist die Beziehung, die thermodynamische Systeme mit einer
Ausstattung mit funktionellen Komponenten befähigt, sich selbst gegen ein
thermodynamisches Gefälle erhalten zu können. Die Darstellung dieser
Beziehungen ist nicht mehr ausschließlich mit den Kategorien der
Kausalität von Physik und Chemie möglich. Hier sind die Kategorien wie
"Bedürfnis", "Autonomie" und "Subjekt" erforderlich, die in der
Tätigkeitstheorie entwickelt werden.
Fasst man Lebewesen nur als mehr oder weniger komplizierte (autonome)
Maschinen auf, kann ihre Eignung für ihren Zweck nur durch einen
intelligenten Designer bewirkt werden. Die biotische Autonomie erfordert
auch die Fähigkeiten zum Autostart und zum Autodesign. Die Theorie der
Biogenese darf sich folglich nicht auf die Rekonstruktion der chemischen Evolution der Komponenten der
lebenden Systeme beschränken, sie muss auch die Fragen nach der Entstehung
der Fähigkeit
zum Autodesign und nach dem Autostart beantworten, die gegenwärtig vor allem
Tummelplatz des Kreationismus sind. (Mehr
>>)
Das Paradigma der Biogenese
Die Scheidung der Objekte, Dinge der physikalisch – chemischen Welt in
Subjekte und Gegenstände erfolgte in der Entstehung des Lebens. Die
Entstehung des Lebens darf also nicht allein als die Entstehung von
Lebewesen (einstellig) gedacht werden, sondern muss als Entstehung von
Subjekten mit ihren Gegenständen verstanden werden. Die
verschiedenen Entwicklungsstufen des Lebens müssen folglich als
Entwicklungsstufen von Subjekten und Gegenständen untersucht werden.
(Mehr >>)
Die Paradigmata der Evolutionstheorie
Das Anpassungsparadigma
Wenn die Lebewesen als autonome Subjekte aufgefasst werden sollen, die
ihre Umwelt aktiv bestimmen, muss das Anpassungsparadigma anders als
traditionell gefasst werden. Nicht die Umwelt bestimmt die Ausstattung des
Organismus, sondern die Ausstattung des Organismus bestimmt die Umwelt, in
welcher dieser leben kann.
Die anzunehmender Fähigkeit zum Autodesign befähigt die Lebewesen, sich
selbst nach Maßgabe ihrer aktuellen Ausstattung zu „konstruieren“, die
ihnen das Leben in einer dafür geeigneten Umwelt ermöglicht. Ist die
auffindbar, dann ist die „Konstruktion“ zweckmäßig und das Lebewesen
überlebt.
Das Zufälligkeitsparadigma
In den Paradigmata der
traditionellen synthetischen Evolutionstheorie finden die Paradigmata der
klassischen Physik in zweifacher Form. In der Auffassung, dass sich die
Evolution als zufälliger, ungerichteter Prozess der Anpassung der
Lebewesen an die sich verändernde Umwelt vollzieht, äußert sich eine
kausaldeterministische Auffassung, die mit dem Trägheitsparadigma
kompatibel ist. In der Auffassung, dass zufällige Mutationen auf
molekularer Ebene makroskopische (phänotypische) Änderungen bewirken, die
den statistischen Gesetzen Selektion unterliegen, äußert sich die
statische Mechanik. So spiegelt das grundlegende Paradigma der
Evolutionstheorie die Gliederung der Thermodynamik wider, deren makroskopische Gesetze auf statistischem Wege aus den Gesetzen der
mikroskopischen Ebene abgeleitet werden.
Eine solche Auffassung kann die Evolution nicht als irgendwie
„gerichteten“ Prozess verstehen und kann auch die Entstehung des Menschen
als zufällig auffassen. Ein neues Anpassungsparadigma erfordert (und
ermöglicht) ermöglicht auch ein neues Evolutionsparadigma, in dem auch
gerichtete Prozess denkbar sind.
Ein Beispiel für ein neues Evolutionsparadigma vertritt beispielsweise die
„Frankfurter Schule“.
·
Im
traditionellen Paradigma wird die
Mutabilität als zufälliger Fehler bei der Reduplikation der DNA angesehen,
deren Quantität und Qualität von zufälligen Umwelteinflüssen bestimmt
wird. "Spontanmutationen" erscheinen als Ausnahme von der Regel, die durch
ein nicht beeinflussbares ständig gegebenes "Umweltrauschen" bedingt sind.
(Mehr>>)
·
Eine umfassende Studie hat Simon Conway Morris von der
University of Cambridge (UK) vorgelegt. Hauptpunkt seiner Kritik ist der
Umstand, dass die Anzahl der möglichen Richtungen zu einem gegebenen
Zeitpunkt der Evolution deshalb nicht beliebig (in theoretischer
Idealisierung unendlich) ist, sondern dass infolge der Limitierung der
Ressourcen nur solche Richtungen möglich sind, die von den Ressourcen
vorgegeben sind. (Mehr>>)