Subjekte Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind. |
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Systeme |
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Gesetze des Lernens
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Wie man einen theoretischen Begriff begreifbar machtBeispiel: Die Zelle
Sicher hat der Beitrag „Quo vadis - Biologieunterricht?" /I/ mehr Fragen als Antworten ausgelöst, können doch die Erfahrungen, auf denen die dargestellten Überlegungen beruhen, von den meisten Kollegen nicht nachvollzogen werden. Bei manchem aber mag die Bezeichnung „theoretischer Biologieunterricht" die Vorstellung einer „Wandtafel-Biologie" assoziieren. Deshalb etwas zum Inhalt der Ausdrücke „theoretisch" und „Theorie". Damit soll zunächst die Qualität der Kenntnisse der Schüler gekennzeichnet werden, die durch diesen Unterricht entstehen sollen. Das Wissen der Schüler soll die Qualität theoretischer Erkenntnisse erreichen und nicht auf dem Stand empirischer Wissenschaft stehenbleiben. Diese Qualität kann das Wissen der Schüler nur erreichen, wenn der Unterricht mit adäquaten theoretischen Methoden gestaltet wird. Diese Methoden verzichten keinesfalls auf Anschauung, Beobachtung oder Experiment. Gerade das Gegenteil ist der Fall! Die Verfahren zur Gewinnung von lebendigen Anschauungen und Vorstellungen werden jedoch anders eingesetzt und gewinnen so einen anderen und auch höheren Stellenwert als in der Empirie. Schließlich erfordert ein solches Vorgehen eine veränderte Reihenfolge und Auswahl der zu vermittelnden Kenntnisse. Die Ausdrücke „Theorie" und „Empirie" bezeichnen unterschiedliche Stufen in der Erkenntnis, Anschauung ist das Fundament jeder Erkenntnis, der empirischen wie der theoretischen! Empirische und theoretische Begriffe Ich möchte
versuchen, einige Elemente eines auf die Vermittlung theoretischer
Kenntnisse gerichteten Unterrichts am Beispiel der Erarbeitung des
Zellbegriffs exemplarisch darzustellen. Betrachten wir dazu erstens das
anzustrebende Ergebnis. Im neuen Lehrplan, der die Vermittlung
empirischer Kenntnisse vorsieht, heißt es dazu: „Im Anschluß an die
Behandlung von Bau und Lebenserscheinungen bei Wirbeltieren und
Samenpflanzen lernen die Schüler in diesem Stoffgebiet die Zelle als
Baustein aller Pflanzen, Tiere und des Menschen kennen. Von der
Mannigfaltigkeit in der Erscheinung der Zellen ausgehend, werden
Zellkern, Zellplasma und Zellmembran als den Pflanzenzellen und Tierzellen
gemeinsame Bestandteile herausgearbeitet und das Vorhandensein einer
Zellwand als typisches Merkmal der Pflanzenzelle gekennzeichnet. Die
Schüler lernen Chloroplasten mit Chlorophyll als Bestandteil der Zellen
grüner Pflanzen kennen. Auf welche Weise wird nun der Begriff (das „gedankliche Bild", nicht das Wort) „Zelle als kleinstes lebendes System" gewonnen? Betrachten wir zunächst wieder den Weg zur Bildung empirischer Begriffe. Der vom Lehrplan vorgesehene Begriff soll von der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ausgehend gebildet werden. Dieser methodische Weg ist in der zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich nur über das Bild, nicht über das reale Objekt möglich. Auch wenn die Schüler Dauerpräparate betrachten, bevor sie entsprechende Präparate selbst hergestellt haben, erscheinen ihnen diese wie Bilder, d. h. zweidimensional. Gerade der Weg „von der Erscheinung ausgehend" führt nicht selten geradewegs zur Wandtafelbiologie, eben weil die Mannigfaltigkeit in der Schulwirklichkeit nicht mit Realobjekten gemeistert werden kann. Aber selbst dann, wenn das gelingt, der Begriff „Baustein ..." kann durch keinerlei Objekte „veranschaulicht" werden, er wird durch Denkoperationen gebildet. Da diese in methodischen Handreichungen nicht ausgewiesen werden, sollen sie hier auch nicht analysiert werden. Methodenbewußtsein ist überhaupt ein wesentliches Merkmal theoretischen Denkens, was empirischem Denken nicht selten fehlt. Betrachten wir nun den Weg, auf dem die theoretische Bestimmung „kleinstes lebendes System" gewonnen werden kann. Ausgangspunkt ist die auf Anschauungen gegründete Kenntnis lebender Systeme, die zunächst nur funktionell, im Hinblick auf ihren Bau jedoch als „black box" gefaßt werden. Welche funktionellen Bestimmungen der Kategorie „lebendes System" den Ausgangspunkt der Begriffsbildung „Zelle" bilden, ist in bestimmten Grenzen variabel. Nach den bisher gewonnenen Erfahrungen sollten die folgenden das Minimum sein: - Stoff- und
Energiewechsel Die Kenntnis
dieser Merkmale wird am Beispiel von Wirbeltieren - vor allem des Menschen
- und Samenpflanzen durch Beobachtungen und Experimente gewonnen. Daran
schließt sich die Frage nach den Orten dieser Lebensvorgänge an, also die
bisher ausgeklammerte Frage nach dem Bau der Lebewesen, nach ihren
Teilen. Nach unseren Erfahrungen verstehen auf der genannten Grundlage
die Schüler bereits in der Klasse 5 auch die Frage, ob auch die Teile der
Lebewesen leben, oder ob die Lebewesen nur als Ganzes zu leben vermögen.
Einige finden diese Frage auch selbständig. Von praktischen Erfahrungen
der Schüler - z. B. mit Schnittblumen oder der Aufzucht von
Pflanzenablegern - und ihrem Alltagswissen über Organtransplantationen
oder Bluttransfusionen ausgehend, läßt sich die Erkenntnis ableiten, daß
auch Teile von Lebewesen eine Reihe von Merkmalen des Lebens besitzen.
Die Teile können sogar noch leben, auch wenn der Organismus bereits tot
ist, von dem sie stammen. Bildung theoretischer Begriffe ist keinesfalls die Bildung wirklichkeitsfremder „theoretischer Konstrukte", sondern eine spezifische, eben theoretische Analyse der Realität, die erst in diesem Kontext zum tatsächlichen Ausgangspunkt der gedanklichen Analyse wird und durch keinerlei „Repräsentanten" ersetzt werden kann. Meine Schüler haben die Idee von „kleinsten lebenden Teilchen" gedanklich bereits erarbeitet, bevor sie zu mikroskopieren beginnen. Nun wird in bewährter Weise die Zwiebelhaut mikroskopiert. Die Schüler suchen nun nach diesen kleinsten lebenden Teilchen. Sie erkennen meist ohne größere Probleme, daß die Zwiebelhäute „wie eine Mauer", wie „Gehwegpflaster" oder wie „Pflastersteine" aussehen. Da sie die Zellen bereits als lebende Gebilde begriffen haben, sehen sie diese auch sofort als räumliche Gebilde, das Denken mischt sich eben bekanntlich in jede Wahrnehmung ein. Wichtig für das Erreichen dieses Ergebnisses ist auch, daß die Schüler zuerst ein selbst hergestelltes Präparat betrachten, damit sie dessen körperliche Beschaffenheit auch mit den Händen „begreifen". Gerade hier zeigt sich der höhere Stellenwert der Anschauung bei der Vermittlung theoretischer Begriffe. Er erfordert die praktische Tätigkeit der Schüler. Die Teile der Zellen werden nun in bewährter Weise erarbeitet. Dabei muß den Schülern deutlich gemacht werden, daß die von ihnen beobachteten Teile mit Ausnahme des Zellplasmas immer nur bei den Zellen eines Teilbereichs der Organismenwelt vorkommen. Je nach Stand der Erarbeitung der taxonomischen Kategorien können die nun erworbenen Kenntnisse zur vertiefenden Charakterisierung der Hauptgruppen der Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Pilze) genutzt werden. Bei der Erarbeitung des Zellkerns als Bestandteil von Zellen kann nun der Begriff der Prokaryoten („Kernlose") auf theoretische Weise als „Lebewesen ohne Zellkern" gewonnen werden. Die nachfolgende Demonstration größerer Blaualgen (z. B. Oscillatoria limosa aus dem Belag der Wände des Aquariums) ist auch mit dem Schülermikroskop gut möglich. Die Umgestaltung einzelner Stoffeinheiten zur Erhöhung des Anteils theoretischer Elemente - in dem von mir gekennzeichneten Sinne - in seinem Unterricht ist jedem interessierten Kollegen auf der Grundlage der gegebenen Lehrpläne möglich. Es ist unmittelbar einsichtig, daß der oben dargestellte „Einstieg" in das Stoffgebiet „Zellenlehre" nicht an einen bestimmten Lehrplan gebunden ist. Er kann also von jedem Kollegen nachvollzogen werden. Natürlich ist der gedankliche Inhalt, den die Schüler mit dem Ausdruck „lebend" verbinden, von dem vorhergegangenen Unterricht abhängig. Damit werden auch die Möglichkeiten limitiert, die bei der weiteren Arbeit mit dem Zellbegriff erschlossen werden können. Hierin zeigt sich deutlich die Bedeutung der Arbeit an der Gestaltung der Gesamtstruktur des Unterrichts. An ihrer Lösung wird gegenwärtig u. a. im Wissenschaftsbereich Biologie-Methodik der Universität Rostock gearbeitet. Die Darstellung der bisher erreichten Ergebnisse muß einem gesonderten Beitrag vorbehalten bleiben. Unabhängig davon können viele andere „traditionelle" Stoffgebiete auf theoretischem Niveau unterrichtet werden, ohne daß sofort Änderungen im Lehrgangsaufbau notwendig wären. Ich denke da z. B. an Stoffgebiete wie Stoff- und Energiewechsel in den Klassen 7 und 8, Photosynthese in Klasse 9, Informationswechsel („Sinnes- und Nervenfunktionen") in Klasse 8 oder die Evolution der Organismen in Klasse 10. Die Fachzeitschrift sollte der Ort sein, auf dem wir die dabei gewonnenen Erfahrungen allen zugänglich machen. Der Wissenschaftsbereich der Universität Rostock wird diese Erfahrungen nicht nur „auswerten", sondern steht interessierten Kollegen mit Sicherheit unterstützend zur Seite.
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Inhalt:
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Publiziert in: Biologie in der Schule,10/1990 , Seite 383
bis 396 |
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Literatur: /{/ Litsche, G.; A. Giese: Quo vadis - Biologieunterricht? - In: Biologie in der Schule. - Berlin 39(1990)4. - S. 132-134 /2/ Lehrplan Biologie, Klassen 6 und 7. - Berlin, 1988 /3/ Libbert, E.: Allgemeine Biologie. - Jena, 1982 /4/ Timofeeff-Ressovsky, N. V.; Jablokov, A. V.; Glotov, N. V.: Grundriß der Populationslehre. - Jena, 1977 Litsche, G.: Arbeit mit gedanklichen Modellen im Unterricht. - In: Biologie in der Schule. - Berlin 34(1985)7/8. - Derselbe: Zur Problematik des Biologieunterrichts in Klasse 5. - In: Biologie in der Schule. - Berlin 35(1986)4. - S. 126-132 Litsche, G.: Theoretische Biologie und Unterricht in der Abstammungslehre. - In: Biologie in der Schule. - Berlin 31(1982)5. - S. 197-203 |
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© Dr. G. Litsche
2006
Letzte Bearbeitung:
14.03.2013